Hund Kalle arbeitet jetzt im Kinderdorf
Das Bethanien Kinderdorf in Waldniel hat einen neuen Mitarbeiter: Als tierischer Co-Pädagoge soll er Kindern und Jugendlichen dabei helfen, Lesen und Rechnen zu lernen. Zuhören kann er mit vier Monaten schon gut
SCHWALMTAL Der jüngste Mitarbeiter im Bethanien Kinderdorf ist vier Monate alt. Kalle ist ein großer Schweizer Sennenhund, der derzeit eine Ausbildung zum Projekthund absolviert. Mit Frauchen Katrin Menzel lernt der kleine Kalle in einer Hundeschule nicht nur die Grundkommandos, die jeder Familienhund beherrschen sollte, sondern einiges mehr. Irgendwann soll er als „Co-Pädagoge“Kindern und Jugendlichen im Kinderdorf bei vielen Dingen des Alltags helfen: etwa beim Fußballspielen, beim Lesen und Rechnen lernen. Und er soll ein Partner sein, mit dem Kinder ku- Katrin Menzel scheln können. Kalle soll helfen, dass die Kinder und Jugendlichen, die oft aus schwierigen Familienverhältnissen stammen, sich öffnen und ihre Erlebnisse einem anderen anvertrauen können.
Katrin Menzel arbeitet seit Januar 2017 im Regenbogenhaus auf dem Gelände des Kinderdorfs. In der Gruppe leben neun Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 17 Jahren. Neben Gruppenleiterin Menzel kümmern sich acht weitere Mitarbeiter – von der Erzieherin über die Hauswirtschaftskraft bis zu Auszubildenden und Praktikanten – im Schichtdienst um die Kinder und Jugendlichen. Schon im Studium, berichtet die 28-jährige Sozialpädagogin, sei ihr Interesse für Projekthunde geweckt worden. Daheim in Neuss lebt bereits eine elfjährige Hovawart-Boxer-Hündin bei ihr. Vor vier Monaten kam Kalle hinzu – ausgewählt, weil er einer ruhigen, besonnenen und sehr lernfähigen Hunderasse angehört. „Hunde sind Eisbrecher“, hat Menzel festgestellt. „Sie sind Zuhörer für die Kinder und geben direkt Rückmeldung auf das Verhalten des Kindes.“
Von einem Acht-Stunden-Tag ist der Junghund weit entfernt: Mal verbringt er 20 Minuten mit den Kindern im Regenbogenhaus, mal eine Stunde. „Er schläft viel, er ist ja noch klein“, sagt Katrin Menzel und fügt schmunzelnd hinzu: „Kalle hat mehr frei als ich.“Als Rückzugsort im Gruppenhaus dient ihm das Schlafzimmer der Erzieher. Dort dürfen die Kinder ohnehin nicht hinein – hier kann Kalle schlummern, wenn es zu viel Trubel gibt.
Pro Woche verbringen die Sozialpädagogin und ihr Hund zweieinhalb Stunden mit der Ausbildung in Mettmann. Hinzu kommt das Alltagstraining, um das Gelernte zu verfestigen. Mit vier Monaten kann Kalle schon die Grundkommandos wie „Sitz“, „Platz“und „Bleib“, er kann zwischen Menzels Beinen Slalom laufen, die rechte oder linke Pfote geben. Derzeit lernt er, Sachen zu bringen. Später soll er darauf trainiert werden, Leder zu erschnüffeln. In Lederrollen werden dann Textabschnitte eingehüllt, die versteckt und vom Hund gefunden werden müssen. Bringt der Hund die gefundene Textrolle zu einem Kind, liest das Kind den Text vor – so geht Lesen lernen mit tierischer Unterstützung. Um Kinder zum Rechnen zu motivieren, wird Kalle auch lernen, mehrere Würfel zu werfen: Der Hund stellt die Aufgabe, das Kind errechnet die Lösung. Nach so viel Arbeit darf der Spaß nicht zu kurz kommen: Unter anderem soll Kalle lernen, Fußball zu spielen.
Wie lange die Ausbildung des Hundes dauert, müsse man sehen, sagt die Sozialpädagogin. Kalle soll dafür so viel Zeit bekommen, wie er braucht. Das Kinderdorf unterstützt die beiden dabei und übernimmt die Kosten. Einen Teil der Hundeausbildung macht Menzel in ihrer Freizeit, teils bekommt sie Arbeitsstunden angerechnet.
Im Alter von 15 Monaten soll Kalle zunächst die Begleithundeprüfung absolvieren, die viele Halter mit ihren Hunden machen. Auch auf die Projekthund-Ausbildung folgt zum Abschluss eine Prüfung, jährlich wird danach überprüft, wie sich der Hund weiter entwickelt hat.
Als Projekthund lernt der junge Vierbeiner viele Dinge, die andere Hunde nicht lernen. Dazu gehört auch die Sprache zwischen Mensch und Hund. Unter anderem gibt er einen Ball nicht frei, wenn man „Aus“sagt, sondern dann, wenn man „Gib es mir bitte“sagt. Derzeit sei das Füttern des Hundes für die Kinder im Regenbogenhaus großartig, berichtet Menzel: „Kalle darf erst fressen, wenn man ,Guten Appetit’ gesagt hat.“
„Hunde sind Eisbrecher, sie sind Zuhörer für die Kinder“ Sozialpädagogin