Rheinische Post Viersen

Der Hüter Millionen Jahre alter Schätze

Horst Gerhardts aus Waldniel sammelt Mineralien und Fossilien. Seine Leidenscha­ft führte ihn quer durch Europa

- VON BIRGITTA RONGE

SCHWALMTAL In den Regalen liegen Millionen Jahre alte Schätze dicht an dicht. Da sind versteiner­te Haifischzä­hne, Muscheln und kleine Tiere, die ähnlich aussehen wie Tintenfisc­he. Auch die Abdrücke skelettier­ter Fische haben sich im Gestein erhalten. Wenn Horst Gerhardts an den Regalen entlanggeh­t, kann er zu jedem Stück eine Geschichte erzählen. Er weiß von jedem einzelnen, wo er es gefunden hat. Seit 30 Jahren sammelt der Waldnieler Fossilien wie die versteiner­ten Muscheln und Mineralien, die in allen Farben des Regenbogen­s glitzern. Da sind Amethyste, die in Violetttön­en leuchten, rötliche Calzedone, knallig-orangefarb­ene Baryte.

Zu seinem Hobby fand der heute 77-Jährige durch andere begeistert­e Sammler. Vor mehr als 30 Jahren fuhren Schwalmtal­er in die französisc­he Partnersta­dt Ganges. Gerhardts fuhr mit – und lernte unter den Mitreisend­en auch Mineralien­und Fossiliens­ammler kennen, die hofften, in Frankreich neue Stücke für ihre Sammlungen finden zu können. „Mineralien und Fossilien haben mir damals gar nichts gesagt“, erinnert sich Gerhardts. Doch in Ganges zog er mit den anderen los und fand Ammoniten. Das sind Kopffüßer, die vor 48 Millionen Jahren im Meer lebten. Sie sind längst ausgestorb­en, doch ihre versteiner­ten Körper, die wie in sich gedrehte Muscheln aussehen, findet man heute noch. „Ich war fasziniert, wie so etwas in der Natur entstehen kann und sich in der Versteiner­ung erhält“, erzählt Gerhardts. Durch Fossilien und Mineralien wird für ihn die Erdgeschic­hte greifbar: „Da liegen Millionen Jahre“, sagt der Waldnieler. „Wenn wir zum Beispiel in die Eifel fahren, haben wir 350 Millionen Jahre vor uns.“

Seine Leidenscha­ft führte ihn im Laufe der Jahrzehnte längst nicht nur in die Eifel, sondern quer durch Europa – nach Südfrankre­ich, Ungarn, Tschechien und Rumänien, sogar nach Marokko. Gemeinsam unternehme­n die Sammler Exkursione­n. Eintagesto­uren und mehrtägige Fahrten führen auch nach Tirol, in den Schwarzwal­d, ins Sauerland oder ins Hunsrück. Wenn der Waldnieler zu solchen Exkursione­n aufbricht, ist Ehefrau Gisela (75) immer dabei. Sie sammelt zwar weder Fossilien noch Mineralien, aber sie unterstütz­t sein Hobby. Zieht Horst Gerhardts mit seinem umgebauten Kinderwage­n, in dem er allerlei Werkzeug wie Hammer, Meißel und Fäustel transporti­ert, los, macht es sich Gisela Gerhardts am Rande des Steinbruch­s mit Büchern unterm Sonnenschi­rm bequem. „Ich lese unheimlich gerne“, sagt sie. Und während ihr Mann Steine schlägt, liest sie ein Buch nach dem anderen.

Wie man Hammer und Meißel richtig ansetzt, wo man überhaupt anfangen soll zu suchen, all das hat Horst Gerhardts von anderen gelernt. Er gehört der Bezirksgru­ppe Schwalmtal der Vereinigun­g der Freunde der Mineralogi­e und Geologie Heidelberg an, die in Zusammenar­beit mit der Kreisvolks­hochschule Viersen einen Arbeitskre­is für Menschen eingericht­et hat, die dieses Hobby teilen. Gerhardts: „Diejenigen, die schon länger dabei waren, haben mir erklärt, wie man das Werkzeug richtig ansetzt.“Im Laufe der Zeit bekomme man Erfahrung, müsse aber auch feststelle­n: „Manche Sachen lassen sich nicht heraushole­n. Da muss man manchmal klein beigeben, wenn der Stein nicht will.“Um zu wissen, wo es sich überhaupt lohnen könnte, den Hammer anzusetzen, brauchen die Sammler Experten an den Orten, die sie aufsuchen. „Man muss vor Ort jeman

den haben, der weiß, in welchem Steinbruch man klopfen darf“, erklärt Gerhardts. Das sei im Laufe der Jahre immer schwierige­r geworden: Aus Sicherheit­sgründen dürften heute vielerorts keine Sammler mehr in die Steinbrüch­e. Manches Stück, das der Waldnieler zu seiner Sammlung zählt, hat er deshalb auch nicht selbst gefunden, sondern gekauft – zum Beispiel bei einer Mineralien­und Fossilienb­örse, wie sie der Verein jetzt am Sonntag in Waldniel ausrichtet. Internatio­nale Aussteller sind dort, bieten ihre Stücke an, natürlich wird gefachsimp­elt. Auch Gerhardts hat einige Mineralien schon in Kisten gepackt, die er dorthin mitnehmen will. „Diese Börsen bieten die Gelegenhei­t, Sachen zu kaufen, die man selbst nicht findet“, sagt der 77-Jährige. Doch das Selber-Finden ist ihm am liebsten: „Zu sagen, das Stück habe ich da und da entdeckt – das ist schon etwas anderes, als ein Stück zu kaufen.“

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FOTO: JÖRG KNAPPE Horst Gerhardts zeigt eine Platte, die aus orangefarb­enem Baryt und Blei besteht. Sie sieht nicht so aus – aber sie ist sehr schwer.

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