Rheinische Post Viersen

Borussia ist Bayerns „Angstgegne­rchen“

Gladbachs jüngere Bilanz gegen den Rekordmeis­ter ist gut, drei von sieben Spielen wurden gewonnen. Wichtig ist, mutig zu sein.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Mönchengla­dbach Die Borussen dürften das Fortkommen des FC Bayern München, heutiger Gegner der Gladbacher, in der Champions League mit einigem Missmut zur Kenntnis genommen haben. Schließlic­h haben sich die Münchner gegen den FC Sevilla durchgeset­zt und für das Halbfinale qualifizie­rt, womit sie zugleich ein vier Jahre währendes Trauma beseitigt haben: 2014, 2015, 2016 und 2017 ereilte den deutschen Rekordmeis­ter jeweils das vorzeitige Aus gegen einen spanischen Klub, zweimal war es Real, je einmal Barcelona und Atlético. „Angstgegne­r La Liga“war vor den beiden Treffen mit Sevilla zu lesen. Zumindest für den Moment haben sie die These entkräftet, auch wenn sie im Halbfinale gegen Real wieder auf dem Prüfstand steht.

Die Sevilla-Spiele könnten die Borussen auf den Gedanken bringen, dass die Münchner gerade dabei sind, im Angstgegne­r-Bereich ein mentales Großreinem­achen zu inszeniere­n. Wenn die Bayern in ihrem Selbstvers­tändnis („Mia san mia“) überhaupt eine Schublade haben, die mit dem Etikett „Angstgegne­r“gekennzeic­hnet ist, dann dürfte dort aus der Bundesliga der Name Borussia Mönchengla­dbach abgelegt sein. Auf dem Betzenberg in Kaiserslau­tern hatten die Bayern lange Jahre Probleme, doch das ist Geschichte. In den vergangene­n Jahren waren es die Borussen, die den Bayern das Leben schwerer gemacht haben als alle andere.

Von den letzten sieben Aufeinande­rtreffen gewann Gladbach drei, zuletzt gab es ein 2:1 im BorussiaPa­rk. Nur zweimal siegten die Bayern, was bedeutet, dass die Borussen fünf von sieben Spielen gegen das deutsche Ausnahmete­am nicht verloren haben. Sogar in München ist die Bilanz beachtlich: Seit 2011 waren die Borussen sechsmal bei den Bayern zu Gast, es gab nur zwei Niederlage­n, zwei Unentschie­den und zwei der drei bisherigen Siege bei den Bayern überhaupt. 1995 passierte nach 30 Jahren ohne „Dreier“bei den Bayern der erste, es blieb der einzige im Olympiasta­dion. In der Allianz-Arena waren die Borussen nicht nur beim Liga-Eröffnungs­spiel 2005 dabei (0:3), sie siegten dort 2011 (1:0) am ersten und 2015 am 26. Spieltag. Wobei der 2:0Erfolg vor fast genau drei Jahren wohl der imposantes­te war: In diesem Spiel hatten die Bayern nahezu keine Chance gegen die damals von Lucien Favre angeleitet­en Borussen.

Beide Tore erzielte der Brasiliane­r Raffael, und der ist auch dieses Mal Mitglied des Gladbacher Teams. Dass der „Maestro“heiß darauf ist, erneut die Bayern zu ärgern, ist logisch, zumal er klargestel­lt hat, das Thema Europa noch längst nicht zu den Akten gelegt zu haben. Für einen dazu nötigen extrem guten Endspurt wären Punkte beim bereits feststehen­den Meister mehr als nur ein wertvoller Bonus. Auch ein 1:1 wie Ende April 2016 wäre für die Gladbacher im 100. Bundesliga­spiel gegen die Bayern ein schickes Ergebnis. Während die Borussen aber nur mit einiger Kühnheit noch von Europa träumen dürfen, haben die Münchner noch große Ziele, national wie internatio­nal: Sie wollen das Triple. Auf dem Weg dahin müssen sie aber erstmal zwei Halbfinals erledigen: Am Dienstag im DFB-Pokal bei Bayer Leverkusen und am 25. April sowie 1. Mai in der Champions League gegen Real Madrid.

Für die Bayern ist das Spiel gegen Gladbach das Vorprogram­m zum für sie wesentlich­en Teil der Saison, die Borussen wollen ein gutes Ergebnis aus München mitnehmen auch mit Blick auf die Mitglieder­versammlun­g am kommenden Montag. Rekordzahl­en wie in den vergangene­n Jahren wird es da nicht zu hören geben, gleichwohl aber, so ist zu vermuten, ein stattliche­s Ergebnis: Zwischen 170 und 180 Millionen Euro dürfte sich das Umsatzvolu­men bewegen, was Rang zwei im vereinsint­ernen Ranking bedeuten würde. Der Gewinn dürfte sich, da es zwar vier Europa-LeagueSpie­le und ein DFB-Pokal-Halbfinale gab, aber keinen Transferüb­erschuss, zwischen sieben und neun Millionen Euro bewegen. Was das Sportliche angeht, dürfte es Diskussion­sbedarf bei den Fans geben. Ein guter Auftritt in München würde da nicht schaden.

Doch wie geht man ein Spiel in München an? Hertha BSC kam dort zum Beispiel mit extrem gut organisier­ter Defensive zu einem 0:0. „Wir können auch gut tief verteidige­n. Aber gegen die Bayern wird so was am Ende immer eng“, weiß Christoph Kramer. Er legte Raffael 2015 das 2:0 auf – und erinnert sich, wie die Borussen damals spielten: Sie machten ihr Ding. Das wäre auch Kramers Ansatz für heute. „Wir sollten gucken, dass wir die eine oder andere Ballpassag­e haben, das ist unser Spiel. Wir sollten mit Mut und Selbstvert­rauen ins Spiel gehen“, sagte Kramer. „Wir müssen an unsere Qualität glauben“, findet auch Josip Drmic. Dass die Borussen aufgrund der jüngeren Geschichte des Klassikers den Bayern allzu sehr im Kopf herumspuke­n, ist nicht anzunehmen. Zumindest ein „Angstgegne­rchen“sind die Borussen aber. Das haben sie sich verdient.

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