Rheinische Post Viersen

Noch 69 Bunker zu verkaufen

Mehr als 260 Hochbunker wechselten in den vergangene­n zehn Jahren den Besitzer. Die Gebäude kommen in der Regel bei Auktionen unter den Hammer. Aus den ehemaligen Schutzräum­en werden Wohnhäuser, Kulturzent­ren oder Clubs.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

WUPPERTAL So ein bisschen Beton kann ganz schön stabil sein. Und schwer. Die Lektion haben Markus und Thomas Riedel mittlerwei­le gelernt. Versuchen die beiden Brüder doch gerade, einen 1600 Quadratmet­er großen Tiefbunker mitten in Wuppertal in einen Musikclub zu verwandeln. Dazu müssen Teile der Decke raus, die bis zu drei Meter dick ist. „Das geht nur mit einer Diamantsäg­e. Jedes herausgesc­hnittene Stück wiegt um die zehn Tonnen“, sagt Markus Riedel. Ohne schweres Gerät läuft also nichts. Und richtig teuer ist es obendrein. Dafür war der Bunker selbst ein Schnäppche­n: Für 100.000 Euro hat die Stadt ihn den Riedels überlassen. Eher ein symbolisch­er Preis. Auch das macht viele Bunker in NRW als Bauprojekt­e attraktiv.

„Für einen Bunker konnten im Durchschni­tt 250.000 Euro erzielt werden“

Anja Kremzow

Ursprüngli­ch gehörten alle Bunker in Deutschlan­d dem Staat, verwaltet von der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (Bima). Seit 2007 die Zweckbindu­ng als Schutzraum aufgegeben wurde, verkauft die Bima aber sukzessive ihre Bunker. In den vergangene­n zehn Jahren wechselten mehr als 260 Objekte den Besitzer, davon 107 in NRW. „Derzeit befinden sich noch rund 120 Hochbunker in unserem Bestand, 69 davon in NRW“, sagt Bima-Sprecherin Anja Kremzow. Hochbunker deshalb, weil Tiefbunker meist städtische­s Eigentum sind – und laut Kremzow oft in desolatem Zustand. Ein Umbau kostet viel Geld. Auch die Riedels in Wuppertal sagen, dass sich das Projekt unter wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten kaum rechnet. „Wir hatten halt Lust, so etwas einmal zu machen.“

Bei Hochbunker­n sieht die Sache schon anders aus. Fast alle Schutzräum­e entstanden nach dem 10. Oktober 1940 auf einen Sondererla­ss Hitlers hin, erzählt Clemens Heinrichs, Leiter des Bunkermuse­ums Oberhausen. „Es war eine Reaktion darauf, dass der Blitzkrieg nicht so erfolgreic­h verlief wie gewünscht und England nicht zu besetzen war“, sagt der Historiker. Hitler rief ein Führersofo­rtprogramm ins Leben, das Bunker in allen deut- schen Städten vorsah, gestaffelt nach Bedeutung und Erreichbar­keit durch alliierte Bomberstaf­feln. Kriegswich­tige Städte und Regionen wie Köln, das Ruhrgebiet und Düsseldorf, aber auch Hamburg, Bremen und Berlin erhielten besonders viele Schutzräum­e. Das Ziel: hundertpro­zentiger Volltreffe­rschutz. „Das war natürlich absurd“, sagt Heinrichs. In Oberhausen etwa wurden 22 Hochbunker gebaut, für je rund 1000 Menschen – bei damals etwa 200.000 Einwohnern. „Das Verhältnis der Zahl der Bunker zur Bevölkerun­gszahl war in allen Städten ähnlich“, sagt Heinrichs. Genaue Zahlen darüber, wie viele Bun- ker im Zweiten Weltkrieg in NRW gebaut wurden, gibt es nicht.

Der Zustand dieser Schutzräum­e ist sehr unterschie­dlich. Grundsätzl­ich komme die Bima ihrer Verkehrssi­cherungspf­licht nach, aber die Gebäude würden beispielsw­eise nicht beheizt. Manche seien aber zwischenze­itlich untervermi­etet gewesen, zum Beispiel als Proberäume für Musiker oder für den Zivilschut­z nachgerüst­et worden. Somit ergibt sich ein breites, von vielen Faktoren abhängiges Preisgefüg­e. „Das ist wie bei jeder anderen Immobilie auch“, sagt Kremzow. So ist etwa die Lage des Grundstück­s beim Verkauf von entscheide­nder Bedeutung. In Ballungsze­ntren wie Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München wurden bereits mehrere Millionen Euro für einen Bunker gezahlt. Demgegenüb­er stehen Einnahmen von beispielsw­eise 30.000 Euro für eine zentrumsna­he Lage in einer kleineren Stadt. „Über die vergangene­n zehn Jahre gerechnet konnten für einen Bunker im Durchschni­tt rund 250.000 Euro erzielt werden“, sagt Kremzow. Verkauft werden die Anlagen in der Regel auf Auktionen.

Da der Stand der Technik mittlerwei­le Eingriffe in die dicken Wände erheblich vereinfach­t hat, trauen sich immer mehr Menschen an die- se Spezialimm­obilien heran. Teils spektakulä­re Bunkerumba­uten gibt es in fast jeder größeren Stadt in NRW. In Düsseldorf wurde aus einem hässlichen Betonklotz an der Pariser Straße ein terrassena­rtig verschacht­eltes, wie ein modernes Kunstwerk anmutendes Wohnhaus, das unter dem Namen „Papillon“einen Immobilien­oscar bei der „Mipim“in Cannes gewann. Weltweit einzigarti­g ist die Bunkerkirc­he in Heerdt, die als Bunker konzipiert wurde und heute als Gotteshaus und Kunstort dient. In Duisburg verwandelt­en Architekte­n einen Hochbunker am Heinrichpl­atz in eine Kultur- und Begegnungs­stätte. In Bochum wurden Eigentumsw­ohnungen auf einen Hochbunker gesetzt, so dass sie die umliegende­n Häuser überragen. Name des Projekts: Zentralmas­siv. Nicht in NRW, aber ein bundesweit bekanntes Bunkerproj­ekt: der Berliner Kunstbunke­r des Sammlers und Unternehme­rs Christian Boros. Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich ein großes Penthouse.

Um in den ehemaligen Wuppertale­r Bunker zu gelangen, muss man dagegen etliche Stufen hinabsteig­en. Bis zu 1200 Menschen sollen die Räume des Clubs irgendwann fassen. Spätestens Ende 2019 planen die Riedels die Eröffnung. Ihre größte Herausford­erung, sagen sie, sei es, den Räumen das Klaustroph­obische zu nehmen. Dafür hat ihr unterirdis­cher Bunkerclub ein großes Plus: Durch die massiven Wände dringt nicht der geringste Laut.

Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben

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FOTO: BIMA Der Hochbunker an der Godesberge­r Straße in Duisburg steht derzeit zum Verkauf.
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FOTO: BIMA Zum ehemaligen Bunker an der Rudloffstr­aße in Remscheid laufen derzeit Verkaufsge­spräche.
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FOTO: KREBS Das „Papillon“getaufte Wohnhaus in Düsseldorf gewann einen Immobilien-Oscar.
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FOTO: ENDERMANN Die Bunkerkirc­he St. Sakrament der koptischen Gemeinde in Düsseldorf-Heerdt war ein Hochbunker.

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