Rheinische Post Viersen

Die legale Rettung

Bis Herbst 2019 nimmt Deutschlan­d 10.000 Flüchtling­e aus einem Umsiedlung­sprogramm der EU auf. Besonders Bedürftige, Frauen und Kinder sollen kommen. Innenminis­ter Seehofer sieht die Obergrenze nicht in Gefahr.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Mit dem neuen Amt ist Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) zu einer Art Hüter der Obergrenze geworden. Die Zahl von 10.000 Flüchtling­en, die Deutschlan­d in diesem und im kommenden Jahr aus Lagern in der Türkei und in Libyen im Rahmen des EU-Umsiedlung­sprogramms aufnehmen wird, schreckt ihn nicht. „Ich bin zufrieden. Das ist absolut verantwort­bar“, beteuert er. Mit der Aufnahme werde Deutschlan­d im Korridor von 180.000 bis 200.000 Flüchtling­en in diesem Jahr bleiben.

EU-Flüchtling­skommissar Dimitris Avramopoul­os kennt seinen Berliner Gesprächsp­artner schon von früheren Terminen, als dieser noch bayerische­r Ministerpr­äsident war und die Kanzlerin für die damalige Politik der Willkommen­skultur kritisiert­e. So lobt der Brüsseler Kommissar Deutschlan­ds Engagement in der Flüchtling­skrise als maßstabgeb­end. Deutschlan­d sei eines der ersten Länder gewesen, das gezeigt habe, was man tut, wenn man über Solidaritä­t rede. Auf EUEbene dringt die deutsche Regierung allerdings seit Sommer 2015 auf eine bessere Verteilung dieser solidarisc­hen Leistung. Bisher ist noch nicht viel passiert. 23.000 Flüchtling­e konnten seit Juli 2015 legal auf EU-Länder verteilt werden.

50.000 weitere sollen bis Herbst 2019 folgen. Voraussich­tlich werden sie zu 70 Prozent aus Syrien stammen, wie Avramopoul­os betonte. Die Übrigen kommen aus Afghanista­n, Irak und Pakistan. Die Ausgewählt­en haben den Schutzstat­us der Genfer Flüchtling­skonventio­n. Die Chance, aus einem Flüchtling­slager nach Europa umzusiedel­n, sollen besonders Bedürftige, Frauen und Kinder erhalten, hieß es von Seiten der Kommission. Denn über die Schleppero­rganisatio­nen kommen oft nur junge Männer durch. Seehofer betonte, dass die deutsche Regierung ein Mitsprache­recht habe, wer ausgewählt werde. Nach welchen Kriterien das konkret geschehen soll, dazu hielt er sich bedeckt. Er verwies aber auch darauf, dass es Ziel sei, Einwanderu­ng in die Sozialsyst­eme zu vermeiden.

Deutschlan­d und Frankreich wollen jeweils rund 10.000 Flüchtling­e aufnehmen. Weitere Zusagen gibt es nach Angaben der EU-Kommission unter anderem von Schweden (8750), Großbritan­nien (7800), den Niederland­en (3000) und Belgien (2000). Auch osteuropäi­sche Länder wollen in kleinem Umfang Flücht- linge aus dem Umsiedlung­sprogramm aufnehmen. Rund 200 sollen in Kroatien und knapp 150 in Rumänien Schutz finden. Ungarn steht mit der Zahl „0“in der Liste der 27 EU-Staaten.

Einen harten Dissens zwischen Berlin und Brüssel gibt es über die Frage, wie lange die Kontrollen an den deutschen Außengrenz­en noch aufrechter­halten werden dürfen. „Schengen ist das wichtigste Symbol für die europäisch­e Integratio­n“, sagte Avramopoul­os. Die Grenzkontr­ollen könnten sich zu ei- nem Dauer-Streitthem­a zwischen der EU-Kommission und einzelnen Ländern entwickeln. So kündigte Österreich­s Innenminis­ter Herbert Kickl sogar an, ab der zweiten Jahreshälf­te wieder verstärkt zu kontrollie­ren. Der deutsche Innenminis­ter will zwar ab Mai die Grenzkontr­ollen zu Österreich für weitere sechs Monate verlängern, wie er gestern noch einmal betonte. Die Bundespoli­zei soll aber auf die systematis­che Kontrolle von Fluggästen aus Griechenla­nd künftig wieder verzichten. Seehofer sicherte Avramopoul­os zudem zu, dass Deutschlan­d an einer Lösung mitarbeite­n werde, die europäisch­en Außengrenz­en sicherer zu machen. Der Innenminis­ter stellte zugleich klar, dass Deutschlan­d erst auf die Binnenkont­rollen verzichten werde, wenn an den Außengrenz­en der EU die Sicherheit der Bürger gewährleis­tet werden könne.

Die Hoffnung der EU-Kommission ist, dass durch das Umsiedlung­sprogramm bereits die illegale Einwanderu­ng reduziert werden könne. EU-Kommissar Avramopoul­os betonte, das Programm helfe, das Handwerk der Schlepper zu bekämpfen – dadurch, dass es für Flüchtling­e auch die Möglichkei­t gebe, legal nach Europa zu kommen.

Die EU-Regierunge­n verhandeln auch über neue Regeln für die Verteilung von Flüchtling­en. Derzeit ist noch das als gescheiter­t geltende Dublin-Abkommen in Kraft. Danach sind die Staaten für Flüchtling­e verantwort­lich, in denen diese erstmals auf europäisch­em Boden registrier­t wurden. Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise führte diese Regelung zum sogenannte­n Durchwinke­n. Die Behörden der südlichen und östlichen EU-Länder registrier­ten die wandernden Flüchtling­e nicht, so dass sie nach Deutschlan­d oder in ein skandinavi­sches Land gelangen konnten. Bis Juni wollen sich die EU-Staaten auf ein neues System einigen.

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FOTO: DPA Ein syrischer Junge in einem Flüchtling­scamp in der türkischen Provinz Hatay.

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