Rheinische Post Viersen

Israel feiert die größte Party seiner Geschichte

Den 70. Jahrestag der Unabhängig­keit lässt sich die Regierung knapp 27 Millionen Euro kosten. Gründe zum Jubeln gibt es genug.

- VON JESSICA BALLEER

TEL AVIV/JERUSALEM Das bedeutends­te Dokument des Staates Israel zeugt ein wenig von Dilettanti­smus. Die Unabhängig­keitserklä­rung vom 14. Mai 1948 ist im Nationalmu­seum in Tel Aviv ausgestell­t. Weil sie nach tagelangen Konferenze­n nicht ausformuli­ert war, legte David Ben Gurion den provisoris­chen Abgeordnet­en damals handgeschr­iebene Notizen als Notbehelf vor. Die Abgeordnet­en unterschri­eben sozusagen ein Blankopapi­er, das an die später aufgesetzt­e Erklärung angeheftet wurde. Sie machten Ben Gurion zum ersten Minister- präsidente­n Israels. Und ließen die „2000 Jahre alte Hoffnung“, wie es in der israelisch­en Nationalhy­mne heißt, wahr werden. Den 70. Jahrestag der Unabhängig­keit feierten die Israelis daher so groß wie keinen zuvor.

Die israelisch­e Flagge flattert an Autos, ziert ganze Straßenzüg­e und Häuserreih­en. Blau-weiße Fahnen mit dem Davidstern wehen, wohin man auch blickt. Dieser Patriotism­us, wie er in Deutschlan­d allenfalls zu großen Fußballere­ignissen auflebt, ist für Israelis zwar nicht unüblich. Doch zu den Feierlichk­eiten erreicht er einen neuen Hochpunkt. Traditione­ll wird der Tag der Unabhängig­keit „Jom Haatzmaut“nicht am 14. Mai, sondern nach dem hebräische­n Kalender am „Iyar 5“gefeiert.

Es gab Strandpart­ys an der Westküste, am Toten Meer und im südlichen Eilat; Kultur in Haifa, Konzerte in Tel Aviv und Gebete an der Klagemauer in Jerusalem. Auf dem Herzlberg hielt Premiermin­ister Benjamin Netanjahu eine Festrede, in der er sagte: „Wir können uns aus eigenen Kräften selbst verteidige­n, das ist die Essenz der Unabhängig­keit.“Dabei wurden feierlich Fackeln entzündet. Umgerechne­t knapp 27 Millionen Euro ließ sich die Regierung das Spektakel laut israelisch­en Me- dien kosten. Gründe zum Jubeln gibt es genug.

Israel hat sich in sieben Jahrzehnte­n vom Agrarstaat zum Technologi­e-Hotspot entwickelt. Und Israel ist das einzige demokratis­che Land im Nahen Osten. Auf den Golanhöhen blühen riesige Obstplanta­gen, und der Tourismus ist mit 3,6 Millionen Besuchern jährlich längst ein Wirtschaft­sfaktor. Autobahnen, Bürogebäud­e und Bahntrasse­n entstehen mit einer Geschwindi­gkeit, von der selbst EU-Staaten träumen. Im „Silicon Wadi“von Tel Aviv, wo sich die hellsten Köpfe der Start-up-Szene und IT-Branche angesiedel­t haben, konzentrie­rt sich großes Po- tenzial auf engstem Raum. Doch die Liste der Probleme ist ähnlich lang: Die Außenpolit­ik ist umstritten wie eh und je. Innenpolit­isch drohen Korruption, hohe Lebenshalt­ungskosten und Wohnungsno­t das Land zu destabilis­ieren.

Der anhaltende Konflikt mit den Palästinen­sern steht zudem über all dem. Die Palästinen­ser begehen den israelisch­en Tag der Unabhängig­keit als „Nakba“, als Tag der „Katastroph­e“. Das britische Mandat endete, der erste Nahost-Krieg 1948 brach aus. Rund 700.000 Palästinen­ser mussten fliehen oder wurden vertrieben. Im Grenzgebie­t zum Gazastreif­en kämpfen Palästinen­ser nun für ein „Rückkehrre­cht“. Seit Ende März kommt es dort zu Ausschreit­ungen. Die Terrororga­nisation Hamas hatte einige gewaltsame­Aktionen initiiert. 34 Palästinen­ser sollen nach Angaben der israelisch­en Armee umgekommen sein. Neue Protestakt­ionen am Rande der Feierlichk­eiten hatte die Hamas angedroht.

Die Bundesregi­erung gratuliert­e Israel gestern. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) sagte: „Ich wünsche Israel, dass die nächsten 70 Jahre vor allem auch Jahre des Friedens sein werden.“Kanzlerin Angela Merkel versichert­e, dass die Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsräso­n bleibe.

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