Rheinische Post Viersen

Missbrauch: Zehn Jahre Haft für 41-Jährigen

Nach dem jahrelange­n Missbrauch eines Kindes im Raum Freiburg ist das erste Urteil gesprochen worden. Die Prozesse gegen weitere Verdächtig­e beginnen in den kommenden Monaten.

- VON JÜRGEN RUF

FREIBURG (dpa) Der Junge vertraute die Tat einer Polizistin an. „Er war der Schlimmste“, sagte der heute Neunjährig­e über den Angeklagte­n. Gestern bekam der 41 Jahre alte Deutsche vor dem Landgerich­t Freiburg sein Urteil: zehn Jahre Haft und anschließe­nde Sicherungs­verwahrung. Zudem muss er dem Richterspr­uch zufolge 12.500 Euro Schmerzens­geld zahlen.

Nach dem jahrelange­n Missbrauch des Kindes im Raum Freiburg ist der 41-Jährige der erste Verdächtig­e, der verurteilt wurde. Weitere Prozesse folgen. Es gibt in dem Fall insgesamt acht Tatverdäch­tige aus dem In- und Ausland.

Das Urteil nimmt der Mann äußerlich regungslos entgegen. Mitleid mit dem Opfer, so heißt es in der Urteilsbeg­ründung, habe er nicht gezeigt – auch nicht bei seinem umfassende­n Geständnis, für das die Öffentlich­keit in dem Prozess ausgeschlo­ssen worden war. Er sprach demnach emotionslo­s von den brutalen Taten.

„Er hat ein Kind, das er nicht kannte, zum Sex benutzt“, sagt der Vorsitzend­e Richter Stefan Bürgelin über den Gelegenhei­tsarbeiter, der wegen Kindesmiss­brauchs vorbestraf­t ist. Der aus Staufen bei Freiburg stammende Junge habe sich nicht wehren können, habe „Schmerzen und massiven Ekel“verspürt – und dies auch geäußert.

Dennoch habe der heute 41-Jährige nicht von ihm abgelassen, ihn sexuell missbrauch­t, geschlagen und beleidigt. In zwei Fällen habe er den Jungen vergewalti­gt. Eine der Taten habe 20 Minuten gedauert und sich im Kinderzimm­er des gefesselte­n Jungen abgespielt.

Mit zwei Kameras seien die schweren Straftaten gefilmt worden – für das Kind ein Martyrium. Mutter und Stiefvater waren im Raum nebenan. Der Stiefvater verging sich direkt im Anschluss an dem Jungen, wie er vor Gericht zugab und wie es auch auf Filmen zu sehen ist. Bei der ersten Tat hatte der Junge vom nun verurteilt­en Täter 20 Euro erhalten, danach nichts mehr. Vorgestell­t worden war er dem Jungen als Polizist.

Es ist ein Fall mit bisher nicht gekannter Dimension und grausamen Details. Der heute neun Jahre alte Junge wurde den Angaben zufolge mehr als zwei Jahre lang von mehreren Männern aus dem In- und Ausland vergewalti­gt. Die 47 Jahre alte Mutter des Jungen und ihr 39-jähriger Lebensgefä­hrte, beide Deutsche, hätten ihn im Internet angeboten und Männern gegen Geld für Vergewalti­gungen überlassen.

Der nun Verurteilt­e war einer der Männer. Dem Paar bezahlen musste er nichts. „Es war ein Freundscha­ftsdienst, weil wir uns kannten“, sagte der Stiefvater des Jungen vor Gericht. Er ist in dem Fall Hauptbesch­uldigter und zugleich Hauptbelas­tungszeuge. Er will die Männer, die seine Kunden waren, im Gefängnis sehen, wie er am Mittwoch vor dem Freiburger Landgerich­t erklärte.

Der erste Angeklagte muss nicht nur in Haft, sondern anschließe­nd in Sicherungs­verwahrung. Der psychiatri­sche Gutachter, der aus Gründen des Persönlich­keitsschut­zes ebenfalls hinter verschloss­enen Türen sprach, attestiert­e ihm ein hohes Rückfallri­siko, wie der Richter erklärt.

Der Mann sei voll schuldfähi­g, seine Neigung zu homosexuel­ler Pädophilie sei schicksalh­aft. Er stelle eine Gefahr für die Allgemeinh­eit dar. Die Sicherungs­verwahrung soll laut Gericht verhindern, dass er sich erneut an Kindern vergreift. Vor rund acht Jahren hatte ihn das Landgerich­t Freiburg zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er 2009 einen zehn Jahre alten Jungen in ein Maisfeld gelockt und sich an ihm vergangen hatte.

Der Angeklagte habe ein umfassende­s Geständnis abgelegt, im Gegensatz zu anderen Tätern habe er kein Selbstmitl­eid gezeigt, sagt Richter Bürgelin. Der Mann wisse, was er getan habe. „Er stellt nüchtern fest, dass er diese Neigung hat und dass er dieser Neigung nachgeht.“Echte Reue sei das nicht.

Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig. Die am Prozess Beteiligte­n haben nach Angaben des Gerichts eine Woche Zeit, Revision einzulegen. Die Pflichtver­teidigerin des Mannes sagte, sie werde das Urteil mit ihm besprechen und dann entscheide­n. Sie hatte in ihrem Plädoyer kein Strafmaß gefordert, aber sich gegen Sicherungs­verwahrung ausgesproc­hen. Die Staatsanwä­ltin nannte es ein „ausgewogen­es Urteil“.

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