Rheinische Post Viersen

Eine Farm für Pilze aus Ostasien

Seit 60 Jahren züchtet Familie Goertz in Breyell Pilze. Zum Sortiment des Betriebs gehören mehr als handelsübl­iche Champignon­s: Inhaber Frank Goertz bietet auch exotische Sorten an. Geerntet werden die Delikatess­en mit der Hand

- VON JULIA ZUEW

BREYELL Kein Sonnenlich­t dringt in den Ernteraum. Nur Leuchtstof­fröhren werfen ihr Licht auf Tausende von runden, weißen Kugeln. Die Luft ist kühl und feucht, es riecht nach Erde. „Das ist der Pilz, der so riecht“, sagt Pilzzüchte­r Frank Goertz. Ihm gehört der Pilzhof Nettetal. In den Nährboden für die weißen, fleischige­n Champignon­s, aber auch etliche weitere Pilzsorten, wird unter anderem Pferdemist eingearbei­tet. „Bevor der Pilz dazukommt, stinkt das richtig.“Hergestell­t wird der Boden in speziellen Laboren.

Seit 1994 betreibt Goertz den Pilzhof, den sein Vater, Heinz Goertz, im Jahr 1958 gründete. „Geholfen habe ich im Betrieb meines Vaters bereits mit 15 Jahren“, sagt er. Nach der Ausbildung zum Gärtner mit dem Fachgebiet der Champignon­zucht, übernahm der heute 52-Jährige den Betrieb, damals noch unter dem Namen „Frank Goertz Champignon­s“. Der Pilzhof beliefert mittlerwei­le unter anderem knapp 50 Supermärkt­e in der Region. „Wir liefern in der Regel nicht weiter als im Umkreis von etwa 50 Kilometern“, sagt Goertz. Die Pilze werden von Hand angebaut und geerntet – Maschinen kommen in der Produktion nicht zum Einsatz. Handarbeit für regionalen Pilzgenuss: „Damit wollen wir überzeugen“, sagt Goertz.

Doch nicht nur braune und weiße Champignon­s gedeihen in den acht Zucht- und Erntehalle­n auf dem Gelände am Berg 17a in Breyell. „Ich habe irgendwann angefangen zu experiment­ieren“, sagt der Pilzzüchte­r, der direkt am Hof wohnt. Aus Tüten, die mit verschiede­nen Nährböden gefüllt sind, wachsen dunkelbrau­ne Shiitake-Pilze, kleine, orangefarb­ene Nameko-Pilzköpfch­en und anfangs trichterfö­rmige Zitronense­itlinge. Manchen von den zwei bis drei Kilogramm schweren Tüten ist nicht anzusehen, dass in wenigen Tagen üppige Pilze daraus sprießen werden. Der Pom-Pom blanc ähnelt noch eher einem Blumenkohl, als einem zotteligen, weißen Puschel, zu dem er mit der Zeit wird.

Damit aus dem Zellengefl­echt der Pilze Fruchtkörp­er wachsen können, braucht es Fingerspit­zengefühl – und Flexibilit­ät. „,Weil ich mit Kästen arbeite, und nicht mit Stellagen, kann ich die verschiede­nen Sorten in den Hallen zusammen anbauen“, sagt Goertz. Stellagen sind meterlange Konstrukti­onen, in denen Folie eingespann­t und das Substrat eingezogen wird. Damit arbeiten beispielsw­eise Großbetrie­be. 90 bis 95 Kilogramm pro Quadratmet­er wiegt der Nährboden. Die schwer befüllten Bahnen lassen sich nicht einfach in einen anderen Raum schieben, wenn den Pilzen das Klima nicht passt. Die Kästen und Substrat-Kissen in Goertz’ Betrieb hingegen schon. „Manche Pilze brauchen mehr, manche weniger Feuchtigke­it zu einer bestimmten Zeit“, sagt der Fachmann. Ebenso ist die Temperatur wichtig. Die Entwicklun­gsdauer der Sorten ist unterschie­dlich, somit auch die Erntezeit.

Trotz wachsender Beliebthei­t von Austernpil­zen, Kräutersei­tlingen oder Shiitake: Die Champignon­s sind das Hauptgesch­äft. „Wir gehen in der Regel zweimal am Tag in die Räume, um zu ernten“, sagt Goertz. Sieben bis acht Pflückerin­nen sammeln die Pilze ein – pro Quadratmet­er bis zu 20 Kilogramm zu Beginn der Ernte. Nach 14 Tagen wird das Substrat in der Regel ersetzt, da in dieser Zeit die geplante Menge an Champignon­s bereits geerntet wurde. In einer weiteren Woche wären die Kosten höher als der Ertrag. „Zeit ist bei uns in der Zucht einer der wichtigste­n Faktoren“, sagt Goertz. Einer der Gründe, weshalb er seit einem Jahr das Geschäft nicht mehr alleine führt. „Ich habe schon früher ab und zu bei wirtschaft­lichen Fragen geholfen“, sagt Geschäftsf­ührer Dieter Dömges, der 2017 in den Pilzbetrie­b einstieg. Bevor er sich dafür entschied, war er in einem Konzern tätig. Während Dömges im Betrieb seinem Fach nachgeht, hat Goertz „Zeit, das zu tun, was er am liebsten macht“: Pilze züchten und ernten.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Tausende Pilze wandern hier täglich ins Körbchen: Frank Goertz betreibt den Pilzhof Nettetal seit 1994. Sein Vater gründete das Unternehme­n vor rund 60 Jahren.
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Der Shiitake wird in der chinesisch­en Medizin als Heilmittel verwendet.
 ??  ?? Macht sich gut in einer asiatische­n Misosuppe: Der Nameko.
Macht sich gut in einer asiatische­n Misosuppe: Der Nameko.
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Aus der Knolle des Pom-Pom blanc wird später ein Puschel.
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FOTOS (4): ZUEW Zitronense­itlinge können roh oder gebraten auf den Teller.

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