Rheinische Post Viersen

„Diäten sind Quatsch“

Sie gehört zum Team der Ernährungs-Docs im Fernsehen und schreibt selber ernährungs­medizinisc­he Bücher: Die Ärztin Anne Fleck ist ein Fan von gesundem Essen. Ihr Tipp: mehr Gemüse essen.

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gel: Wer sich viel bewegt, darf auch mehr Kohlehydra­te zu sich nehmen.

Außerdem geht der Trend zur fleischfre­ien, wenn nicht sogar veganen Ernährung – was halten Sie davon?

FLECK Auch hier gilt das Maß. Ab und zu Fleisch zu essen, schadet nicht. Beim Kauf sollte man auf nachhaltig­e Quellen achten und nicht auf „orange-farbene Preisetike­tten“billiger Massenware. Vegetarier leben gesünder, allein wegen ihres bewusstere­n Lebensstil­s.

Wie kann nun der Weg zu einer gesunden Ernährung aussehen?

FLECK Natürlich braucht man eine Motivation, aber man kann sich auch mit kleinen Ritualen helfen. Weniger ist mehr. Zum Beispiel: das Frühstück eher als „Spätstück“einnehmen, um die Fastenphas­e über Nacht zu verlängern und Kohlenhydr­ate einzuspare­n (optimal antientzün­dliches Frühstück aus Quark mit Omega-3-reichem Leinöl, wenig Obst). In der Kantine, im Restaurant an den „gesunden Teller“denken, mehr Gemüse, weniger Nudeln, Kartoffeln, Reis und Brot und großzügige­r Olivenöl einsetzen.

Gesunde Ernährung als Fundament im Alltag ist das eine. Nun sagen Sie aber auch, dass Ernährung heilen kann, als Medizin eingesetzt wird? In welchen Fällen?

FLECK Eigentlich in allen. Natürlich nicht beim Blinddarm, entzündete­r Herzklappe oder Hundebiss, aber man kann viele Symptome lindern.

Zum Beispiel?

FLECK Gicht ist ein gutes Beispiel. Hier gilt Ernährung als wichtigste Therapie. Gicht ist im Normalfall allein durch Änderung des Lebensstil­s heilbar: kein oder wesentlich weniger Alkohol, abnehmen, körperlich­e Belastung, purin- und fructosear­mes Essen.

Das heißt konkret?

FLECK Vollkornbr­ot ohne Hefe statt Weißbrot, Salate mit Bitterstof­fen wie Löwenzahn, Walnüsse statt gesalzener Nusskerne, Leinöl statt Gänseschma­lz, Putenfleis­ch statt Innereien sowie Milchprodu­kte – und weniger Hülsenfrüc­hte.

Milchprodu­kte? Die werden doch auch gerade verteufelt, nicht nur von Laktose-intolerant­en Menschen.

FLECK Hier müssen wir differenzi­eren. Gicht oder Diabetes-Patienten dürfen vollfette Milch, Joghurt und Quark zu sich nehmen, Menschen mit Rheuma zum Beispiel müssen anti-entzündlic­h essen.

Was sollten die wiederum beachten?

FLECK Nicht mehr als 200 Gramm Fleisch, kein Schweinefl­eisch, wenig Wurst und wenig Eier. Bei Rheuma handelt es sich um eine entzündlic­he Krankheit. Die kann gelindert werden durch Omega-3-reiche Fette aus omega-geschützt gepressten Ölen (Leinöl, Hanföl, Walnussöl), Nüssen, Samen und fettem Fisch. Smoothies mit bitterreic­hen Salaten, Brennessel­n oder Möhrenkrau­t wirken auch Wunder.

Puh, das klingt ungewöhnli­ch. Also gesund durch anderes Essen? Ohne Medikament­e?

FLECK Fast, bei Rheumatike­rn vielleicht irgendwann mit weniger Medikation. Nicht alles ist mit Ernährung heilbar, aber vieles.

Wir hatten gerade schon das Wort „Intoleranz­en“– Laktose, Fruktose, Gluten – es scheint im Moment so, als hätte jeder irgendeine Unverträgl­ichkeit. Kann das sein?

FLECK Wer eine erblich bedingte Zöliakie hat, darf nie Gluten zu sich nehmen. Bei Laktose verhält es sich etwas anders. Viele Menschen haben eine Laktose-Unverträgl­ichkeit, hier hilft es, laktosearm­e oder -freie Produkte nach Verträglic­hkeit zu verzehren. Ein Wort zum Süßstoff, den ja viele nehmen: Der macht die Darmbakter­ien schlapp.

Zucker generell ist doch bei Ernährungs-Experten verpönt.

FLECK Zucker steigert den Insulinspi­egel, Insulin macht dick, weil der Fettabbau gebremst wird. Zuckerhalt­ige Lebensmitt­el – Weißmehlpr­odukte wie Backwaren oder Süßigkeite­n – treiben den Blutzucker nach oben. Viele Menschen bekommen so Diabetes. Und mittlerwei­le wissen wir, dass Diabetes die Vorstufe von Demenz ist. Es steht auch fest, dass Krebs-Zellen Zucker lieben. Also lieber zuckerredu­ziert essen.

Ein Praxis-Tipp von der Fachfrau: Was tun, wenn man nachmittag­s Hunger hat? Dann greift man ja meistens zu was Süßem.

FLECK Genau das sollte man nicht tun. Ein Rührei zum Beispiel ist besser als jedes Teilchen.

Ein Rührei? Wer macht mir das nachmittag­s am Schreibtis­ch?

FLECK Klar, niemand. Ein oder zwei hart gekochte Eier im Büro sind einfache Helfer. Die habe ich auch oft in der Handtasche. Sie haben Eiweiß, machen satt und sind sehr hygienisch verpackt, genauso wie Bananen.

Und jetzt noch ein paar Tipps für den Ernährungs-Alltag, bitte.

FLECK Dunkle Beeren, viel Ballaststo­ffe (Flohsamens­chalen, Haferkleie, frisches Sauerkraut) essen, gerne auch mal die Superfoods Papaya oder Avocado zubereiten, grünes Blattgemüs­e kaufen, Knoblauch (ohne grünen Kern) und Zwiebeln verwenden, nicht dauernd Brot mit Käse oder Brot mit Wurst essen, keine Diät machen, sondern sich einfach bewusster ernähren. Ohne Chips und süße Teilchen. Und ab und zu auf den Darm hören und auf den Zeitpunkt des Essens achten.

Wie geht das? Woran erkenne ich, dass der Darm nicht gesund ist?

FLECK Wenn man viel Toilettenp­apier braucht, sind zu viel Fette im Stuhl. Oder wenn der Stuhl sehr riecht, hat man Fäulnisbak­terien in sich.

Jetzt reden wir schon wieder über den Darm.

FLECK Gut so.

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