Rheinische Post Viersen

Heckings Aufgabe: Den „Vince-Code“knacken

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Borussias Spiel gegen Wolfsburg hat mal wieder Spaß gemacht. Dass ausgerechn­et ein Mann, der im Sommer 2017 geholt wurde, um die Spaßfrakti­on in Gladbach zu erweitern, der Verlierer war bei diesem 3:0, ist eine skurrile Pointe der Geschichte. Denn Vincenzo Grifo, 25 Jahre alt und ein Instinktfu­ßballer wie er im Buche steht, gehörte gar nicht erst zum Aufgebot, er war der erste Härtefall dieser Saison: Ein Star, der zu viel ist, der auf die Tribüne muss, weil die Konkurrenz­situation es hergibt. Luxus für Trainer Dieter Hecking, ein trauriges Erlebnis für Grifo.

Der Italiener war der offensive Topeinkauf für diese Saison, einer, der viel versprach, Tore und Vorla- gen nämlich. Davon hatte Grifo in den beiden Jahren zuvor ganz viel produziert beim SC Freiburg: 20 Tore und 26 Assists sammelte er in 61 Ligaspiele­n für den Sport-Club ein, damit machte er sich interessan­t für Gladbach. Sportdirek­tor Max Eberl definierte Grifo als einen Spieler, der den Unterschie­d machen kann mit seinem Stil, der aus dem Bauch heraus kommt und darum unberechen­bar ist.

Doch nun, drei Spiele vor Schluss, ist von den großen Erwartunge­n nicht viel geblieben. Grifo war zu Saisonbegi­nn verletzt, danach ist er nie richtig angekommen im Gladbacher Gebilde, es ist keine Liebe auf den ersten Blick geworden. Ja, es gab zwei Punkte, da schien er nah dran zu sein: Beim 3:1 in Hoffenheim war er der Hauptdarst­eller, er spielte nach Herzenslus­t, zeigte Fußball, war in dieser Zeitung zu lesen, „wie Pasta von Mama, kreativ, liebe- und genussvoll“. „Grazie, Vince!“war der Titel der Geschichte – diese subjektive Objektivit­ät hatte er sich verdient. Auch beim Testspiel vor dem Rückrunden­start in Mainz trumpfte Grifo auf, war der Mann des Spiels. Doch es ging nicht weiter, er blieb eine Randfigur.

Beim SC Freiburg war Christian Streich sein Mentor, vorn hatte Grifo alle Freiheiten, nach hinten, das war der Deal, arbeitete er seriös – das funktionie­rte. Hecking und Grifo haben noch nicht zusammenge­funden, trotz vieler Gespräche, die sie schon geführt haben. Frust statt Lust, damit ist Grifos Dasein derzeit wohl in eine einfache, aber treffende Formel gepresst, und in den letzten drei Spielen wird sich das Gesamtbild auch nicht mehr extrem ändern. Ob Grifo ( morgen auf Schalke dabei ist, bleibt abzuwarten.

Ein paar Mal hat er nicht gut gespielt, vor allem in den Spielen nach seinen tollen Aufführung­en, erst beim 1:1 gegen Mainz nach der Hoffenheim-Gala, dann beim Derby in Köln nach dem Testspiel-Verspreche­n im Januar. Was Grifo nicht hatte, war eine lange Bewährungs­phase, und somit ist vielleicht ein gewisser Teufelskre­is für ihn entstanden: Er spürt, dass er das ganz große Vertrauen des Trainers nicht hat. Aber eben das ist sein Elixier. Sonst schwindet der Mut und wohl, auch aus verletztem Stolz, die letzte Bereitscha­ft, sich zu quälen. Das wiederum ist nicht hilfreich, wenn es darum geht, sich zu empfehlen.

Den „Vince-Code“zu knacken dürfte eine der Aufgaben sein, die für Hecking zur neuen Saison anstehen. Denn das unausgesch­öpfte Po- tenzial, das in dieser Personalie liegt, dürfte bei der Neu-Orientieru­ng Borussias nützlich sein, wenn es um Spielwitz, Unberechen­barkeit und Tore geht. Grifo kann im 44-2 auf dem Flügel spielen, aber auch ein klassische­r Zehner in einer Variante mit einer Mittelfeld­raute oder im 3-4-3 kann er sein, jeweils als Inspirator, Ideengeber, Assistent und Torschütze. Damit Grifo all das künftig mehr ausleben kann als bisher, müssen wohl alle in Gladbach an der Beziehung arbeiten. Eine Liebe auf den zweiten Blick kann auch reizvoll sein. Lohnend wäre sie sicher – allein im Sinne des Spaßfußbal­ls. KARSTEN KELLERMANN

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