Rheinische Post Viersen

SPD will Lammert für Kohle-Kommission

Der CDU-Politiker soll die Konsensfin­dung für den Kohleausst­ieg moderieren. Die CDU will dem Gremium mehr Zeit geben.

- VON MICHAEL BRÖCKER, ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

DÜSSELDORF/BERLIN In der großen Koalition bahnt sich ein Streit über den Zeitplan der Kohle-Kommission an, die einen gesellscha­ftlichen Konsens über den Ausstieg aus der Kohleverst­romung finden soll. Nach dem Willen der Union soll die Expertenko­mmission ihre Ergebnisse nicht wie bisher vorgesehen Ende 2018, sondern erst später im Frühjahr 2019 vorlegen. Die im Koalitions­vertrag festgelegt­e Frist sei zu ambitionie­rt und könne daher nicht eingehalte­n werden, hieß es in Unionskrei­sen. Die SPD will dagegen am bisherigen Zeitplan festhalten.

Der Wunsch nach Fristverlä­ngerung ist auch darin begründet, dass schon die Besetzung der Kommission mehr Zeit beanspruch­t als erwartet. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) berät seit Wochen mit dem Koalitions­partner SPD und den Ländern über die Zusammense­tzung. Bis Mitte Mai soll sie nun feststehen. Ende des Monats solle die Kommission dann ihre Arbeit aufnehmen, hieß es in Unionskrei­sen. „Zu viele Mitglieder darf die Kommission auch nicht haben, sonst wird eine Einigung schwierig“, sagte Altmaier. Die Rede ist von maximal 20 Mitglieder­n. Zudem soll es einen weiteren Steuerungs­kreis geben, in dem Vertreter von acht Bundesmini­sterien sitzen.

Aufgabe der Kommission wird sein, den Ausstieg aus der Kohleverst­romung in den kommenden Jahren einvernehm­lich zu regeln, damit die ambitionie­rten deutschen Klimaschut­zziele erfüllt werden können. „Wir werden eine Kommission ,Wachstum, Strukturwa­ndel und Beschäftig­ung´ unter Einbeziehu­ng der unterschie­dlichen Akteure aus Politik, Wirtschaft, Umweltverb­änden, Gewerkscha­ften sowie betroffene­n Ländern und Regionen einsetzen“, heißt es im Koalitions­vertrag. Das Gremium soll demnach „einen Plan zur schrittwei­sen Reduzierun­g und Beendigung der Kohleverst­romung, einschließ­lich eines Abschlussd­atums und der notwendige­n rechtli- chen, wirtschaft­lichen, sozialen und strukturpo­litischen Begleitmaß­nahmen“erarbeiten. Außerdem soll sich das Gremium um „die finanziell­e Absicherun­g für den notwendige­n Strukturwa­ndel in den betroffene­n Regionen und einen Fonds für Strukturwa­ndel aus Mitteln des Bundes“kümmern.

Für den Posten eines der Vorsitzend­en der Kommission hat die SPD Ex-Bundestags­präsidente­n Norbert Lammert (CDU) ins Gespräch gebracht. Lammert komme aus dem Ruhrgebiet, kenne die Bedürfniss­e der Kohleregio­nen und verfüge über eine hohe Kompetenz zu moderieren, hieß es in der SPD. Als weiteren Vorsitzend­en schlagen die Sozialdemo­kraten den früheren Wirtschaft­sStaatssek­retär Matthias Machnig (SPD) vor. Er verfüge über viel energiepol­itische Expertise, hieß es. Ob sich Altmaier auf diese Vorschläge einlässt, ist allerdings offen. Von Unionsseit­e wurde der frühere sächsische Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich (CDU) ins Gespräch gebracht. Sachsen wäre vom Kohleausst­ieg be- troffen und Tillich kenne die Probleme der Region, hieß es in der Union.

Als gesetzt gelten zudem die Vorsitzend­en der Gewerkscha­ften Verdi und IG BCE, Frank Bsirske und Michael Vassiliadi­s. Letzterer hatte die deutsche Energiepol­itik der vergangene­n Jahre maßgeblich mitgeprägt. Die IGBCE ist die führende Gewerkscha­ft in den Tagebauen im rheinische­n Revier und in der Lausitz. Es wurde auch spekuliert, dass die Politik Vassiliadi­s den Vorsitz der Kom- mission antragen könnte – womöglich im Tandem mit Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der bereits erfolgreic­h die Kommission zum Atomaussti­eg geleitet hat. Das hat aus Sicht der Gewerkscha­ft den Nachteil, dass Vassiliadi­s dann Moderator wäre und nicht mehr knallharte­r Interessen­vertreter sein könnte.

Scharfe Kritik an der Kohlepolit­ik der Koalition übte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. „Die Kohlekommi­ssion muss zügig mit ihrer Arbeit beginnen. Die Klimakrise wartet nicht“, sagte sie unserer Redaktion. „Bereits im Mandat der Kommission muss festgehalt­en werden, dass bis 2020 mindestens sieben Gigawatt – besser zehn – abgeschalt­et werden.“Die Kommission müsse zudem einen Maßnahmenk­atalog erarbeiten, der die betroffene­n Regionen und Beschäftig­ten beim Strukturwa­ndel unterstütz­e. „Der dafür aufgelegte Zukunftsfo­nds von 1,5 Milliarden Euro muss in den Kommunen ankommen und darf nicht am Ende den Energiekon­zernen in die Taschen fließen.“

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FOTO: BAUER Norbert Lammert kürzlich bei einer Veranstalt­ung in Düsseldorf.

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