Rheinische Post Viersen

Rollifahre­r zwischen Schranken gefangen

Rettung in letzter Sekunde: Winfried Rommeswink­el (90) befand sich mitten auf den Gleisen, als plötzlich die Schranken schlossen und zwei Züge auf ihn zukamen. Ein Passant brachte die Züge zum Stehen

- VON NADINE FISCHER

VIERSEN Mit seinem Elektromob­il rollt Winfried Rommeswink­el nah an die rot-weiß geringelte Schranke heran und schaut auf die Gleise. „Ich fahre nie mehr hier rüber“, sagt der 90-Jährige. „Der Schock hat tagelang gesessen. Die Geschichte wird mich für den Rest meines Lebens nicht loslassen.“Am 20. April, einem Freitag, wollte Rommeswink­el etwa um 16.45 Uhr den Bahnüberga­ng am Clörather Weg in Viersen überqueren. „Als ich mitten auf den Gleisen war, gingen die Schranken plötzlich ganz schnell runter. Und dann war ich gefangen.“

Der Süchtelner wohnt im Haus am Nordkanal in Viersen, einem Seniorenze­ntrum. An jenem Freitagnac­hmittag legt Rommeswink­el sein Fernglas in den Korb, der vorne an seinem Scooter befestigt ist, und fährt Richtung Clörather Mühle: „Ich wollte dort die Störche beobachten.“Er nutzt einen schmalen Weg entlang der Niers, der zu der Schrankena­nlage führt. Rommeswink­el kennt die Strecke und weiß: Wenn die Schranken unten sind, muss er an einer gelben Säule, die davor steht, einen Hebel ziehen. So ruft er den Schrankenw­ärter an – der öffnet dann. Doch als der 90Jährige am Freitag an der Anlage ankommt, sind die Schranken bereits oben. Also fährt er auf die Gleise.

„Normalerwe­ise kündigt es der Schrankenw­ärter über Lautsprech­er an, wenn die Schranken schließen. Das hatte er diesmal aber nicht gemacht“, sagt der 90-Jährige. Plötzlich sind die Schranken unten und er ist auf den Gleisen gefangen. „Ich fuhr ganz nah an eine der Schranken und stellte meinen Scooter schräg ab. Ich bin schwerstbe­hindert, ich konnte nicht aufstehen“, berichtet Rommeswink­el. Er rechnet also damit, dass jeden Moment ein Zug an ihm vorbei donnert. „Ich hatte Angst, ich habe einfach nur ganz still dagesessen.“Statt eines Zuges rast jedoch ein Mann über die Gleise: „Er zog sein rotes TShirt aus, drehte es über seinem Kopf und lief an mir vorbei, um den Zug aus Fahrtricht­ung Krefeld zum Anhalten zu bringen.“

Ein Sprecher der Deutschen Bahn bestätigt, dass zu jenem Zeitpunkt in Viersen Nothalte veranlasst wurden: „Zwei Züge auf der Strecke hielten.“Der Mann mit dem roten T-Shirt sei ein Lokführer außer Dienst gewesen, der vermutlich in der Nähe wohne oder zufällig dort spazieren gegangen sei. „Dem Mann habe ich möglicherw­eise mein Leben zu verdanken“, sagt Rommeswink­el. Ein paar Minuten habe er auf dem Gleis festgesess­en, bevor Spaziergän­ger den Schrankenw­ärter angerufen hätten. Erst weitere zehn Minuten später seien die Schranken hoch gegangen.

„Ich mache den Schrankenw­ärter für die Sache verantwort­lich. Er hat nicht Bescheid gegeben, dass die Schranken schließen“, betont Rommeswink­el. Der Sprecher der Bahn weist die Anschuldig­ungen zurück: Der Wärter habe gemeldet, dass die Schranken schließen. Stattdesse­n liege ein Fehlverhal­ten des Schrankenn­utzers vor. Denn: „Auch bei offener Schranke hätte der Senior den Schrankenw­ärter anrufen müssen, bevor er die Anlage überquert.“Für Rommeswink­el ist das nicht nachvollzi­ehbar: „Wer soll das denn wissen, das ist mir völlig neu.“Entspreche­nde Hinweissch­ilder stehen an der Schrankena­nlage zumindest nicht. Der 90-Jährige ärgert sich: „Das ist doch nur eine Schutzbeha­uptung.“

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? Winfried Rommeswink­el fährt jetzt immer einen Umweg, wenn er zur Clörather Mühle möchte. Die Schrankena­nlage an der Niers meidet er.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Winfried Rommeswink­el fährt jetzt immer einen Umweg, wenn er zur Clörather Mühle möchte. Die Schrankena­nlage an der Niers meidet er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany