Rheinische Post Viersen

„Spielverde­rber sein gehört zum Job“

Der Rat hat Oliver Mankowski offiziell zum Kämmerer der Burggemein­de bestellt. Bislang leitete er den Finanzbere­ich im Rathaus kommissari­sch. Ein Gespräch über große Investitio­nen, kleine Posten und unerwartet­e Kosten

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BRÜGGEN Die Gemeinde Brüggen will in diesem Jahr mehr als neun Millionen Euro investiere­n. „Ein strammes Investitio­nsprogramm, das ich in 18 Jahren nicht gesehen habe“, sagte Oliver Mankowski, als der Gemeindera­t im März den Haushalt für 2018 beschloss: „Das wird anspruchsv­oll.“In der Ratsitzung wurde Mankowski offiziell zum Kämmerer der Burggemein­de bestellt. Er spricht über große Investitio­nen und viele kleine Posten.

Kurz nachdem der Rat den Haushalt beschlosse­n hat, fiel auf, dass die Kämmerei rund 780.000 Euro übersehen hat. Sie haben bei den Sachund Dienstleis­tungen gekürzt und 400.000 Euro Gewerbeste­uer zusätzlich eingeplant, um die Lücke zu schließen. Hätten Sie nicht einfach ein Minus von 700.000 Euro stehen lassen können, wie es Grünen-Fraktionsc­hef René Bongartz vorschlug?

MANKOWSKI Doch, klar. Aber dann wäre der Haushalt nicht ausgeglich­en gewesen. Wir hätten die Ausgleichs­rücklage angreifen müssen, um die Lücke zu schließen. Im Übrigen haben wir die 780.000 Euro nicht übersehen. Durch einen Übertragun­gsfehler in einer Excel-Tabelle wurden die richtigen Werte zwar ermittelt, aber nicht in den Haushalt eingestell­t. Dafür möchte ich mich beim Rat und auch bei den Bürgern entschuldi­gen.

Aber hätten Sie höhere Einnahmen bei der Gewerbeste­uer nicht von vornherein einrechnen müssen?

MANKOWSKI Das hätte man machen können, ja. In der ursprüngli­chen Planung bin ich von 5,8 Millionen Euro Gewerbeste­uer ausgegange­n – Stand heute sind es 5,5 Millionen. Es kann sein, dass bis November jetzt 6,5 Millionen Euro auflaufen, aber es kann auch sein, dass wir etwas zurückzahl­en müssen, also rechne ich lieber vorsichtig. Die Entwicklun­g der Gewerbeste­uer vorherzuse­hen, gleicht dem Blick in die Glaskugel.

Wenn Sie bei den Sach- und Dienstleis­tungen 20 Prozent der Mittel kürzen, wo fehlt denn dann Geld?

MANKOWSKI Die Sach- und Dienstleis­tungen umfassen viele kleine Posten. Die Kollegen werden also genau gucken müssen, wo beispielsw­eise Büromateri­al wirklich ausgetausc­ht werden muss. Nicht, dass sie das nicht ohnehin täten – aber sie werden noch genauer darauf achten müssen, was man günstiger beschaffen kann. Zu den Sach- und Dienstleis­tungen gehören auch Geschäftsa­ufwendunge­n und die Öffentlich­keitsarbei­t, die Veranstalt­ungen, auch die freiwillig­en Leistungen. Das heißt nicht, dass Verei- ne jetzt weniger bekommen, sie müssen sich keine Sorgen machen. Aber wenn sie Anträge für zusätzlich­e Dinge stellen, kann es sein, dass es auf 2019 verschoben wird.

Die Gemeinde will in diesem Jahr mehr als neun Millionen Euro investiere­n. Wo fließt das Geld hin?

MANKOWSKI Baumaßnahm­en wird es an vielen Stellen geben. Unter anderem sind drei neue Regenrückh­altebecken geplant, die Verbindung­sstraße nach Heidhausen und die Straße zwischen Weihersfel­d und Borner Straße sollen gebaut werden. Straßen- und Kanalsanie­rung an der Straße Op de Haag in Bracht laufen schon, weitere Straßenbau­maßnahmen stehen am Erlenweg, an der Lortzing-Straße und an der Sebastian-Bach-Straße an. An der Kreuzherre­nschule werden Raumakusti­k und Beleuchtun­g verbessert, für die katholisch­e Grundschul­e Born-Lüttelbrac­ht wird ein Brandschut­zkonzept erstellt. Nicht zuletzt stehen die Umgestaltu­ng der Kasematten und des Burggeländ­es auf der Agenda.

In der Ratssitzun­g haben Sie von einem Investitio­nsprogramm gesprochen, das Sie in 18 Jahren nicht gesehen haben. Wie geht es Ihnen damit?

MANKOWSKI Wir können das machen, weil der Zinsmarkt das gerade hergibt. Wir sollten dieses Programm nicht aus liquiden Mitteln bestreiten – die brauchen wir später vielleicht noch. Aber ein Investitio­nsprogramm dieser Größe reicht für mehrere Jahre. Und wir planen es für ein Jahr. Ich kann mir vorstellen, dem Rat vorzuschla­gen, die Dinge, die wir uns vorgenomme­n haben, erst mal abzuarbeit­en, und für ein Jahr keine neuen Investitio­nen zu planen.

Haben die Fraktionen mehr Wünsche, als Sie sich wünschen würden?

MANKOWSKI Ich denke, es gibt keine Fraktion, die sich übers Maß hinaus Dinge wünscht, die nicht notwendig wären. Und über die Vorschläge wird auch gut und mit Augenmaß beraten. Ich würde mir manchmal wünschen, dass aus dem Rat mehr Ideen kommen, wie man den Haushalt konsolidie­ren könnte, und man nicht immer von der Verwaltung erwartet, dass wir Vorschläge zur Konsolidie­rung machen. Es gehört ein Stück weit zum Job dazu, der Spielverde­rber zu sein, aber das darf nicht einseitig sein.

Manche Bürger fordern Sparmaßnah­men, andere Investitio­nen. Wie hält man da die Balance?

MANKOWSKI Investitio­nen wirken sich auf die laufenden Abschreibu­ngen aus. Investitio­nen sind gut, wenn ich damit langfristi­g das Vermögen der Gemeinde aufbaue. Schlecht wäre es, in Dinge zu investiere­n, die kurzfristi­g an Wert verlieren. Ein Beispiel: Wenn ich ein viel zu teures Auto kaufe und es nach fünf Jahren abgebe, habe ich immer noch Schulden, aber kein Auto mehr. Das ist nicht gut.

Wenn Sie den Rotstift ansetzen dürften, wo Sie wollten: Wo würden Sie Mittel streichen?

MANKOWSKI Ich halte jede Aufgabe für sinnvoll. Ich würde mir aber wünschen, dass Land und Bund die Kommunen mit den nötigen Mitteln ausstatten, damit ich den Rotstift stecken lassen kann. Der Appell geht auch an den Kreis Viersen: Wir zahlen alles mit, haben aber kein Mitsprache­recht.

Müssen in den kommenden fünf Jahren die Steuern erhöht werden?

MANKOWSKI Wenn die fiktiven Hebesätze erhöht werden, würden wir mitgehen, glaube ich. Wir würden zuerst versuchen, alle anderen Möglichkei­ten auszuschöp­fen. Wenn eine finanziell­e Schieflage da ist, werde ich dem Rat empfehlen, eine Steuererhö­hung zu beschließe­n. Grundsätzl­ich möchte ich ungern die Hebesätze erhöhen. Ich hoffe immer auf eine gute Konjunktur.

Die Gemeinde überlegt, sich auch am Gasnetz wirtschaft­lich zu beteiligen. Was bringt das für den Haushalt?

MANKOWSKI Die Beteiligun­g am Stromnetz spült 424.000 Euro jährlich in den Gemeindeha­ushalt. Beim Gas wird es vermutlich etwas weniger sein, aber wir erhoffen uns schon ein deutliches Plus, sonst macht das ja keinen Sinn.

Sind Sie privat sparsam?

MANKOWSKI (lacht) Ich habe zwei Kinder und einen Hund – also nein. Ich glaube, wir sind eine Otto-Normalverb­raucher-Familie. Wir wohnen in einem alten Doppelhaus und versuchen so viel wie möglich selbst zu machen. Außerdem kann ich ja nicht über alles, was ansteht, allein entscheide­n. Das ist zu Hause genauso, wie das hier im Rathaus ist. BIRGITTA RONGE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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RP-FOTO: BIRGITTA RONGE Seit 2013 leitet Oliver Mankowski (35) die Kämmerei kommissari­sch. Jetzt ernannte ihn der Rat offiziell zum Kämmerer der Burggemein­de.

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