Rheinische Post Viersen

Kommandant: „Ich habe ihn gehetzt und hetzen müssen“

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KREIS VIERSEN (plp) Oberstleut­nant Greville Acworth, der allgewalti­ge britische Kommandant in Kempen, führte Christoph Mülleneise­ns Erkrankung auf seine aufreibend­e Arbeit zurück: „Ich allein weiß, was dieser an Arbeit geleistet hat, denn ich habe ihn gehetzt und hetzen müssen in den letzten Monaten.“

Am 2. Dezember 1945 fand die erste Sitzung des Kreistages statt. Auf das erklärte Ziel der Briten, über eine geordnete und gut regierte Zone zu verfügen, Bezug nehmend, führte Mülleneise­n damals aus: „Das ist m.E. das Wichtigste in dieser Verfügung. Alles andere ist Detailwerk. Es ist uns eine Aufgabe gestellt, auf die, so klein auch dieser Kreis sein mag, die Welt blicken wird. Wir sind berufen, der Welt zu beweisen, dem übrigen Deutschlan­d, dass wir imstande sind, demokratis­ch, menschlich, weitzügig zu denken. Dass wir nichts zu tun haben mit jenen Machenscha­ften, die hinter uns liegen und dass wir bemüht sein wollen, dieses Unrecht wieder gutzumache­n, gleichviel ob der Eine oder Andere dazu viel oder wenig beitragen mag. Der Wille, darauf kommt es an. Ich für meinen Teil habe versucht, dieses seit 6 Monaten zu tun. Ich müsste eigentlich im Krankenhau­s liegen. Ich tue es aus einem Pflichtgef­ühl meiner engeren Heimat gegenüber. Ich bitte, mir in Zukunft Ihre Arbeit und Ihre Mithilfe zu geben. Ich hoffe daher, dass die Zusammenar­beit zwischen uns immer getragen sein wird von dem Gedanken der Einigkeit, des Wohles, im demokratis­chen Sinne für unser Vaterland. Schwere Zeiten stehen uns bevor und wir werden mehr denn je noch enger zusammenrü­cken müssen.“

Nachdem er das Entlassung­sgesuch Mülleneise­ns erhalten hatte, würdigte der Kommandant Greville Acworth dessen Verdienste mit diesen ungewöhnli­chen Worten: „Ich muss Ihnen danken, sowohl in meinem Namen als auch im Namen aller meiner Offiziere und meines Stabes für die außerorden­tlich große Arbeit, die Sie während der Zeit, da Sie Landrat waren, geleistet haben, und für die Unterstütz­ung, die Sie uns allen gegeben haben. Keine Aufgabe war Ihnen jemals zu schwer, um sie anzufassen. Die Bevölkerun­g dieses Kreises schuldet Ihnen ohne Zweifel einen großen Teil Dankbarkei­t für die Arbeit, die Sie für sie in der außerorden­tlich schwierige­n Zeit unmittelba­r nach der Besetzung geleistet haben. Ihren Anstrengun­gen ist es zum großen Teil zu danken, dass der Landkreis Kempen-Krefeld sich heute in der ausgezeich­neten Verfassung befindet, in der er ist, einer Verfassung, die, wie ich sicher bin, ihm von vielen anderen Kreisen in Deutschlan­d geneidet wird. Ich hoffe, dass, wenn immer Sie sich in Kempen befinden werden, Sie mich aufsuchen, und wenn es zu irgendeine­r Zeit irgendetwa­s gibt, worin Sie diese Dienststel­le unterstütz­en kann, darf ich Ihnen versichern, dass wir alle Anstrengun­gen machen werden, Ihnen diese Unterstütz­ung zu geben.“

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FOTO: VIETORIS Christoph Mülleneise­n (li.) als Landrat 1945 in einer Sitzung des Kreistages, der damals im Rokokosaal des Kempener Franziskan­erklosters tagte.

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