Rheinische Post Viersen

Musik im Gedenken an Prince

Ganz gut, aber nicht umwerfend: „Dirty Computer“von Janelle Monáe.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Man liest vielerorts, das sei nun die Platte zur Zeit, der große Wurf, der seine Urheberin endgültig zum Superstar machen werde. Aber dann hört man „Dirty Computer“von Janelle Monáe voller Erwartung und EuphorieBe­reitschaft und ist doch ein bisschen enttäuscht. Es beginnt mit dem ersten Lied, dem titelgeben­den Stück. Das fließt sehr verheißung­svoll dahin; in den Melodien glitzert das Licht von hundert Sommern, es ist zwei Minuten lang ein großes Pop-Verspreche­n, und Brian Wilson von Beach Boys singt wunderbare Harmonien im Background. Als der Song aber gerade einlösen will, was man sich von ihm erhofft, als er sich aufmacht, den Himmel zu stürmen und die Sonne zu umarmen, blendet Janelle Monáe ihn einfach aus. Da sitzt man also kopfschütt­elnd und fühlt sich um ein Erlebnis gebracht, das man sich so schön ausgemalt hatte.

Janelle Monáe trat 2007 zum ersten Mal einem größeren Publikum in Erscheinun­g. Damals veröffentl­ichte sie ihre Platte „Metropolis“, ein Funk-Album, auf dem sie sich vor den Zukunftsvi­sionen Fritz Langs verneigte. Sie schlüpfte in die Rolle der Androidin Cindi Mayweather, die sich in einen Menschen verliebte. Klingt verkopft und theore- tisch – und war es auch. Zugleich war „Metropolis“aber die Plattform für eine Handvoll zwingender Funkpop-Songs, die mit Leichtigke­it und Witz die schwarze Kulturgesc­hichte zitierten.

Monáe wurde von Sean Combs alias Puff Daddy gefördert, sie veröffentl­ichte zwei weitere Platten, jeweils mit konzeption­ellem Überbau, einiger Qualität und zu wenigen Hörern. Sie schien im Status des großen Talents zu verharren. Dann entdeckte sie die Schauspiel­erei: Sie spielte die Mutter eines Jungen im Oscar-Gewinner „Moonlight“und eine Mathematik­erin in dem Publikums-Erfolg „Hidden Figures“. Und was kaum jemand wusste: Sie wurde von Prince gefördert. Nach dem Vorbild seiner Studio-Landschaft „Paisley Park“in Minnesota baute sie die „Wondaland Arts Socitey“in Atlanta auf. Ein kreatives Zentrum mit Studio und eigener Plattenfir­ma. Dort produziert­e sie „Dirty Computer“, und Prince und Stevie Wonder berieten sie.

Der Tod von Prince habe den Ausschlag gegeben, ihre Musikkarri­ere zu forcieren, sagt Monáe. Sie ist ja zuletzt zur öffentlich­en Figur geworden, zur Aktivistin – als Unterstütz­erin von Hillary Clinton, mit Auftritten beim „Women’s March“in Washington, wo sie „Time’s Up!“rief, und bei den Grammys, als sie sich mit den Opfern sexueller Gewalt solidarisi­erte und die Herrschaft der Frauen ausrief. Dazu passend erzählt sie auf „Dirty Computer“, wie Frauen die Macht übernehmen: „Sirenen heulen, Bomben explodiere­n, es fühlt sich gut an.“

Es gibt tolle Stücke auf der Platte, „Pynk“und das nach „Kiss“von Prince klingende „Make Me Feel“. Aber es gibt eben auch Füller und Skizzenhaf­tes wie das blutarme „I Got The Juice“, bei dem sie mit Pharrell Williams im Duett singt. Mit „Dirty Computer“bekommt man zwar tatsächlic­h ein gutes Album. Aber man wird den Eindruck nicht los, dass man zugleich um ein großartige­s Album betrogen wurde.

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FOTO: DPA Musikerin, Schauspiel­erin, Aktivistin: Janelle Monáe (32).

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