Rheinische Post Viersen

Schwer zu glauben

- VON LOTHAR SCHRÖDER

MÜNSTER Wer absolut kein Interesse am 101. Deutschen Katholiken­tag in Münster hegt, dürfte dennoch seinen Heidenspaß beim Treffen der Gläubigen bekommen: auf dem sogenannte­n Ketzertag Münster 2018, den der Internatio­nale Bund der Konfession­slosen und Atheisten ausrichtet – abseits des Programms natürlich. Und während der Katholiken­tag aus Psalm 34 „Suche Frieden“zum Motto erkoren hat, haben sich die selbst ernannten Ketzer naheliegen­d für „Suche Streit“entschiede­n.

Doch für diesen unfrommen Wunsch bedarf es in Münster nicht erst der Ungläubige­n. So werden auf dem Katholiken­tag manch widerstrei­tende Positionen aufeinande­rtreffen. Da ist der Auftritt des AfDPolitik­ers Volker Münz. Der ist kirchenpol­itischer Sprecher seiner Partei im Bundestag und wurde eingeladen, sich mit den vergleichb­aren Sprechern der anderen Fraktionen – also der CDU, SPD, FDP und den Grünen – der Frage zu stellen: „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“Riesentrar­a um seine Teilnahme. Und eine Studie des Instituts für Christlich­e Sozialwiss­enschaft versorgt die erregten Gemüter mit der wenig überrasche­nden Erkenntnis, dass im AfDGrundsa­tzprogramm eine „nationalis­tische Bevölkerun­gspolitik“propagiert werde.

Also gar nicht erst einladen? Das hatte man auf dem Leipziger Katholiken­tag vor zwei Jahren beherzigt. Ergebnis: ebenfalls ein Riesentrar­a. Und auch dazu gab es dann Podien, auf denen sich die Experten die Köpfe zur Ausladung heißredete­n, während die damalige AfD-Vorsitzend­e Frauke Petry im ÜWagen eines bedeutende­n Senders im Interview der Woche sich darüber mokieren und die Flüchtling­shilfe der Kirche zu einer Form des modernen Ablasshand­els deklariere­n konnte.

Jetzt also wird Münz seinen Auftritt haben. Unsere Empörungsb­ereitschaf­t darüber kann aber gefährlich­er werden, als man denkt. Weil sich diese nur an einem Auftritt entzündet und man damit aus dem Blick verlieren könnte, dass es auch die Bundesvere­inigung Christen in der AfD gibt. Ihre Mitglieder rekrutiere­n sich aus dem wertkonser­vativen Milieu, die in der AfD gemeinsame Feindbilde­r wiederfind­en: in der sogenannte­n Homo-Lobby, im vermeintli­chen Genderwahn, vor allem im Islam. „Maria statt Scharia“lautet ihre Parole – wie bei der NPD.

Irgendjema­nd hat brav nachgezähl­t, dass im 680 Seiten starken Programm das Wort Frieden fast 800 mal zu lesen ist. Von den 1000 Veranstalt­ungen dürfte damit ein Großteil davon „betroffen“sein, ohne aber immer auch friedliche Spuren hinterlass­en zu können. Dafür ist der Katholiken­tag in der alten Wiedertäuf­erstadt einfach viel zu politisch und kirchenpol­itisch. Gerade in den vergangene­n Wochen häuften sich Themen an, die von katholisch­en Laien jetzt auch öffentlich diskutiert werden wollen. Etwa über den Erlass der bayerische­n Staatsregi­erung, Kreuze in öffentlich­en Gebäuden aufzuhänge­n. Die Mehrheit der deutschen Bischöfe verwahrte sich gegen eine solche wahlkämpfe­rische Instrument­alisierung durch die Politik; auch Armin Laschet sieht für Nordrhein-Westfalen keinen Handlungsb­edarf. Der Ministerpr­äsident des Landes wird neben Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sowie dem Bischof von Münster, Felix Genn, den Katholiken­tag heute Abend auf dem Domplatz eröffnen.

Reichlich Konfliktst­off liefert auch der Brief von sieben Bischöfen an den Vatikan, die Zweifel erheben, dass Teilnahmen von protestant­ischen Ehepartner­n an der Kommunion rechtmäßig sein könnten. Für manche aus dem Kirchenvol­k geht es dabei auch darum, dass die Bischöfe mit dem auch ökumenisch heiklen Votum ihre Autorität verspielen. So sehen das vor allem die Vertreter der Bewegung von „Wir sind Kir-

„Wenn ich einen Klerikalen vor mir habe, werde ich im Nu zum Antiklerik­alen“

Papst Franziskus

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