Dem römischen Sommer trotzen
Auch bei hohen Temperaturen lohnt sich ein Städtetrip in die Ewige Stadt am Tiber.
ROM (dpa) Es gibt kaum etwas so Wunderbares wie eine Abkühlung mitten im römischen Sommer. Ein besonders sehenswertes Beispiel dafür findet sich im Zoo Bioparco, gleich neben der Villa Borghese. Dort gibt es zwei Kegelrobben, Nordlichter also, verbreitet in den kühlen Meeren zwischen Mecklenburg und Kanada. Der römische Sommer macht ihnen ebenso zu schaffen wie Touristen aus nordwesteuropäischen Schlechtwetterecken. Dennoch muss das Wasser in ihrem Bassin ab und zu ausgetauscht werden, auch bei 35 Grad im Schatten.
Die Wärter ziehen dafür einfach den Stöpsel raus, und dann läuft das kühle Nass ab, bis die beiden Tiere auf dem Trocknen sitzen. Wenn man das einmal erlebt hat, weiß man, dass Robben sehr traurig dreinschauen können.
Wenn man den Rundgang durch den kleinen Zoo abgeschlossen hat und noch einmal am Robbenbecken vorbeischaut, erlebt man dafür einen Moment derart überschäumender Freude, wie er nur nach einer längeren Durststrecke vorstellbar ist: Frisches kaltes Wasser sprudelt in das Bassin. Und jetzt legen die beiden Nordatlantiker einen ge- radezu südländischen Überschwang an den Tag: Immer und immer wieder schießen sie aus dem Wasser und lassen sich lustvoll zurückfallen. Sie drehen Runde um Runde – es ist der pure Genuss.
Genau das ist der Schlüssel zu einem unvergesslichen Rom-Urlaub im Sommer: Schwitzen wird man unvermeidlich, aber die eisgekühlte Cola oder das sahnige Amarena-Eis entschädigen dafür, weil sie unter diesen Umständen noch einmal doppelt so gut schmecken. So wird der Urlaub zum Hochgenuss, auch wenn der Asphalt dampft, die Luft flirrt und die Konturen verschwimmen.
Auf eines muss man sich gefasst machen: Eher früher als später wird der Moment kommen, in dem man kraftlos in einem Straßencafé niedersinkt. Der Schweiß läuft, das Shirt klebt. Und dann wandert der Blick zum Nachbartisch, und dort sitzt ein Italiener – im Anzug. Weißes Oberhemd, schicke Sonnenbrille, alles piccobello. Wie ist das möglich? Es soll Römer geben, die an solchen Tagen vorsorglich ein zweites Hemd mit ins Büro nehmen und das Deo immer griffbereit haben. Doch wie sie es genau schaffen, auch bei sengender Hitze noch bella figura zu machen, bleibt ihr Geheimnis. Einige Tricks kann man sich als Tourist allerdings von den Einheimi- schen abschauen. Die erste und einfachste Maßnahme ist natürlich: früh aufstehen. Um sechs Uhr morgens hat man selbst das Ballett der Meeresgötter und Nymphen am Trevibrunnen ganz für sich allein. Eine besondere Erfahrung. Wenn die Sonne im Zenit steht, sollte man sich dagegen ins Schattenreich der abgedunkelten Wohnungen oder eben ins Hotelzimmer zurückziehen. Fensterläden schließen, Vorhänge zuziehen und die betäubende Hitze draußen halten.
Und dann natürlich der Abend, der für alles entschädigt. Schon Rom-Liebhaber Goethe rühmte den Zauber, der sich bei Nacht „über die ungeheure Stadt verbreitet“. Die seidige Nachtluft verstärkt eine Atmosphäre unbestimmter Erwartung.
Zum Beispiel die Vorfreude auf ein Essen unter freiem Himmel. Natürlich speist man im Sommer draußen, so ist es seit jeher Brauch bei den Römern. Die Kinder, so vorhanden, spielen auf der Piazza. Die Spanische Treppe wird zur Bühne. Rosenverkäufer, Gitarrenspieler und Straßenmaler sind in Aktion. Es ist ein großes Stadttheater, das sich entfaltet. Und wenn um Mitternacht die Küchen schließen, ist es Zeit, den Eissalon aufzusuchen. Besonders berühmt: „Gelateria Giolitti“. Die Kundschaft ist so gemischt wie das Eis-Sortiment.
Eine weitere Maßnahme im Sommer besteht darin, die großen Plätze tagsüber zu meiden und in die Gas- sen des Centro Storico abzuwandern. Schon die italienische Schriftstellerin Natalia Ginzburg (19161991) wies Rom-Besucher darauf hin, dass die Sonne nie in jene schattigen Stiegen dringe, „die in ihrer tausendjährigen schwarzen Feuchtigkeit und in einem dumpfen Gestank von Katzen und Urin versunken bleiben“. Das klingt nicht nach einer richtig überzeugenden Empfehlung, doch wenn nicht gerade die Müllabfuhr streikt, stinken die Altstadtgassen für gewöhnlich nicht mehr so wie zu Ginzburgs Zeiten.
In der Antike war Rom eine Wasserstadt. Die römischen Kaiser ließen riesige Badeanstalten errichten, heutigen Spaßbädern nicht unähnlich. Der Dichter Seneca, der direkt über einer solchen Therme wohnte, klagte: „Ich höre das Stöhnen der Leute, die mit ihren Hanteln arbeiten. Wenn jemand sich massieren lässt, höre ich das Klatschen der Hand. Hast du dann noch einen Ballspieler, der immerzu laut das Aufprallen des Balls mitzählt, ist es ganz aus. Und dann die, die sich in das Schwimmbecken stürzen, dass es nur so klatscht und das Wasser nach allen Seiten spritzt!“Das Wasser wurde über spektakuläre Aquädukte aus den Bergen hergeleitet. Reste davon stehen noch im römischen Umland. Bis heute erwarten die Bewohner der Stadt, dass ihre Brunnen immer sprudeln und das Wassergeflüster nie verstummt, auch in Zeiten extremer Trocken- heit so wie im Sommer 2017. Die Brunnen stehen für ein funktionierendes Gemeinwesen, ja für das Leben schlechthin.
Abkühlung findet man auch in der Villa Borghese, dem großen Park, in dem man flanieren, reiten und im Gras liegen kann. Und Boot fahren, auf einem See mit einer künstlichen Insel, auf der sich malerisch ein antiker Tempel erhebt. Der ist zwar nur eine Fälschung von 1786, aber das sieht man auf den Erinnerungsfotos nicht. Anschließend kann man gleich nebenan im „Casina del Lago“, einem der schönsten Cafés der Stadt, einen Espresso bestellen – der in Rom aber ganz einfach „caffè“heißt.
Wer länger bleibt, sollte auf jeden Fall einen Ausflug ins Umland unternehmen, das tun die Römer auch. Wie schon die Cäsaren und Päpste zieht es sie im Sommer vorzugsweise in die nahen Albaner Berge. Aber es gibt noch etwas Besseres, ein schattiges Ziel mit Gänsehautpotenzial: den Monsterwald von Bomarzo, von Rom aus etwa anderthalb Stunden mit dem Mietwagen entfernt. Der Park ist in jeder Hinsicht eine willkommene Abwechslung, nicht zuletzt auch deshalb, weil er abseits aller großen Touristenströme liegt. In einer Senke unterhalb des malerischen Ortes Bomarzo erheben sich hier aus einem Geflecht von Bäumen und Sträuchern riesige steinerne Figuren: kämpfende Riesen, Drachen, Löwen, Nymphen, ein Kriegselefant, eine gigantische Schildkröte. Durch das weit geöffnete Maul eines Dämonen spaziert man in die Unterwelt - die sich allerdings als gastlich entpuppt: Man kann an einem alten Steintisch Platz nehmen und ein Picknick machen.
Am verblüffendsten ist ein schiefes Haus, wie man es so ähnlich heute noch im Freizeitpark oder auf der Kirmes finden kann. Wer nicht aufpasst, verliert drinnen das Gleichgewicht. All diese Dinge sind fast 500 Jahre alt. Die Figuren wurden im 16. Jahrhundert von dem exzentrischen Adligen Vicino Orsini (1523-1585) geschaffen. Lange vergessen, verhalf der surrealistische Maler Salvador Dali dem „heiligen Wald“oder „Parco dei Mostri“(Park der Ungeheuer) im 20. Jahrhundert zur Wiederentdeckung.
Abkühlung findet man in der Villa Borghese, dem Park, in dem man flanieren, reiten und im Gras liegen kann