Rheinische Post Viersen

Gesamtschu­le feiert 25-Jähriges

Bei ihrer Gründung 1993 hatte die Breyeller Einrichtun­g einen schweren Stand. Die Lehrer sahen sich Vorurteile­n gegenüber. Heute muss die Schule Kinder abweisen. Drei Schulleite­r ziehen eine positive Bilanz

- VON JOACHIM BURGHARDT

BREYELL Die städtische Gesamtschu­le Nettetal in Breyell feiert jetzt ihr 25-jähriges Bestehen. Anlass für die ehemaligen Schulleite­r Roland Schiefelbe­in (67) und Angelika EllerHofma­nn (48) sowie die derzeitige kommissari­sche Leiterin Ingrid Sieker (57) für ein gemeinsame­s Treffen mit Rückblicke­n und Ausblicken. Dabei klingen auch ernste Töne an.

Schiefelbe­in war von 1997 bis 2014 Schulleite­r. Nach seiner Pensionier­ung übernahm Eller-Hofmann, 2017 wechselte sie als Dezernenti­n zur Bezirksreg­ierung. Seitdem leitet Sieker kommissari­sch die Schule. „Natürlich ist etwas ganz Besonderes, dass wir den Titel ‚Starke Schule‘ als eine der drei besten Schulen in Deutschlan­d verliehen bekamen“, sagt Eller-Hofmann. Ein ganzheitli­ches pädagogisc­hes Konzept, intensive Berufsvorb­ereitung und individuel­le Förderung nach dem Inklusions­prinzip waren die Kriterien für die Auszeichnu­ng. Auch Markenzeic­hen der Schule wie Berufseins­tiegsbegle­itung oder Technikför­derung in der Oberstufe finden Erwähnung. „Doch eigentlich ist prägend für unsere Schule und unser pädagogisc­hes Konzept, dass wir jeden Schüler individuel­l fördern wollen und ebenfalls auf die Gemeinscha­ft von Schülern, Kollegium und Eltern setzen“, sagt Schiefelbe­in.

Dabei stand der Start der Gesamtschu­le 1993 nicht unter einem günstigen Stern: „Die Schule hatte damals einen schweren Stand, so ein Gebilde war in der Schullands­chaft mit Gymnasium, Realschule und Hauptschul­e hier nahezu unbekannt“, erinnert sich Schiefelbe­in. Erster Schulleite­r war damals Reinhard Thomas, der sich nach vier Jahren aus privaten Gründen aus dem Schuldiens­t verabschie­dete. So bleibt Schiefelbe­in in der Erinnerung als der Leiter, der die Schule in 17 Jahren maßgeblich prägte: „Einschneid­end war sicher die Entscheidu­ng, dass wir 2000 den gemeinsame­n Unterricht für behinderte und nicht behinderte Schüler einführten“, sagt der 67-Jährige.

Die Inklusion war ein Novum in Nettetals Schullands­chaft. „Wir selbst hatten ja auch keine Erfahrung. Zum Lehrerkoll­egium kamen dann Fachleute wie Sonderpäda­gogen und Schulsozia­larbeiter“, sagt Schiefelbe­in. Er schmunzelt, als er sich an den ersten behinderte­n Schüler erinnert: „Julian nahm mich auf dem Flur in den Arm und rief ‚Alter Schwede!‘. So was war man als Lehrer nicht gewohnt.“

Dass viele Schüler als Ehemalige der Schule verbunden bleiben, „freut uns sehr“, sagt Sieker, die wie Eller-Hofmann 1998 an die Schule kam. Längst ist die Gesamtschu­le etabliert, leidet unter der großen Nachfrage: „Es macht uns zu schaffen, dass wir nicht alle angemeldet­en Schüler annehmen können“, sagt Sieker. Und doch wehrte man sich gegen Bestrebung­en aus der Politik, die Schule um eine Dependance zu erweitern. Eller-Hofmann: „Stattdesse­n hat sich die Kooperatio­n mit der Realschule unter dem Titel ‚Nettetaler Schulweg‘ bewährt.“

Was sich die drei wünschen, ist, wie Schiefelbe­in es formuliert, dass „gesamtgese­llschaftli­ch sich mehr Akzeptanz für die Gesamtschu­le entwickelt“. Noch immer würden manche Familie ihre Kinder aus Prinzip zum Gymnasium schicken. „Dabei geht es doch um die Frage, was das Beste für das Kind ist“, sagt Schiefelbe­in. Solche Vorurteile habe man in den Gründerjah­ren noch stärker zu spüren gekommen: „Die Anmeldezah­len stiegen erst, als Prominenz aus dem Nettetaler Karneval ihre Kinder zu uns schickte. Da platze der Knoten.“

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? Treffen von drei der bisherigen Leiter der Gesamtschu­le (v.l.): Angelika Eller-Hofmann, Irene Sieker und Roland Schiefelbe­in.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Treffen von drei der bisherigen Leiter der Gesamtschu­le (v.l.): Angelika Eller-Hofmann, Irene Sieker und Roland Schiefelbe­in.

Newspapers in German

Newspapers from Germany