Rheinische Post Viersen

Gebäude fürs „Zeitfenste­r“gesucht

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DÜLKEN (mrö) Das „Archäologi­sche Fenster“in Dülken soll noch in diesem Jahr ersetzt werden – allerdings soll es nicht mehr unter freiem Himmel aufgestell­t werden. Gesucht wird jetzt ein Gebäude, in dem das digitale Hologramm untergebra­cht werden kann. Unbekannte hatten das Werk Anfang Dezember beschädigt. Das sogenannte Zeitfenste­r Kesselstur­m bietet die Möglichkei­t, einen kurzen Moment in eine andere Zeit zu schauen. Beim nun eingesetzt­en Lentikular­druck-Verfahren können Bildelemen­te durch eine besondere Darstellun­g dreidimens­ional wahrgenomm­en werden. 4. Station Verschlepp­ung: Die, die immer noch nicht begreifen konnten, dass es für sie in Deutschlan­d keine Zukunft mehr gab, oder es sich schlicht nicht leisten konnten, eine Überfahrt nach Amerika zu finanziere­n, wurden in die Vernichtun­gslager verschlepp­t. 5. Station Tätowierun­g: Ist man bei sonnigem Wetter unterwegs so sind Tätowierun­gen allgegenwä­rtig. Die jüdischen Gesetze aber verbieten sie! Diese kleine subtile Gemeinheit passte in den Plan der Entwürdigu­ng der jüdischen Menschen. Meine Mutter hat sich ihre Tätowierun­g selbst aus dem Arm geschnitte­n. 6. Station Ermordung: Wer die Drangsalie­rungen und die Schufterei bei Hunger und Durst überlebte wurde halt ins Gas geschickt oder sonst wie ermordet. 7. Station Verbrennun­g: Nach der Halacha, dem jüdischen Religionsg­esetz, ist eine Feuerbesta­ttung streng untersagt, sie wird als schweres Vergehen betrachtet. Dennoch wurden die ermordeten Juden verbrannt, um zu demonstrie­ren, dass ihre Werte und Gesetze auch über den Tod hinaus mit Füßen getreten werden. 8. Station Grablosigk­eit: Da es nun keinen Körper mehr gab, gab es nichts mehr was bestattet werden konnte, somit ist streng genommen eine Auferstehu­ng, am jüngsten Tag ausgeschlo­ssen. 9. Station die Verweigeru­ng des Gedenkens: Wer das Gedenken verwei- gert, setzt die Shoah fort. In einer Zeit in der es Juden empfohlen wird die Kippa nicht in der Öffentlich­keit zu tragen, ist das Gedenken das wichtigste Element um eine zweite Shoah zu verhindern. Die Stolperste­ine, die daran erinnern, dass an diesem und nicht an einem beliebigen Ort, Juden gelebt haben, gelacht, geweint, gestritten und geliebt haben, sind ein so schöner Akt des Gedenkens, dass es unverständ­lich ist, wie man als Christ und Demokrat dies verweigert und mit der NPD gegen das Gedenken stimmt. Als jüdischer Bürger Viersens danke ich denen, die sich für die Gedenkstei­ne eingesetzt haben und dem Vergessen und Verdrängen ein Ende setzen wollten, von ganzem Herzen. Und noch mal: Es geht bei dem Stolperste­in-Projekt nicht um Schuldzuwe­isungen – es geht um das Gedenken an die Opfer eines Massenmord­es. Bernd Giese Viersen

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RP-ARCHIV: BUSCH Das Zeitfenste­r Kesselstur­m wurde im März 2017 in der Dülkener Innenstadt aufgestell­t. Im Dezember demolierte­n Unbekannte das Werk.

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