Rheinische Post Viersen

Mehr Brisanz geht nicht für ein Derby

1. FC Viersen gegen die VSF Amern, das ist ein Klassiker unter den Lokalduell­en im Grenzland. Morgen ist aus mehreren Gründen noch mehr Feuer in der Partie. Beide Teams brauchen Punkte im Abstiegska­mpf der Fußball-Landesliga.

- VON DAVID BEINEKE

GRENZLAND Im Normalfall wären morgen viele Augen auf Willi Kehrberg gerichtet. Denn seit ihm im März des vergangene­n Jahres das Vertrauen als Trainer des 1. FC Viersen entzogen wurde, kehrt er als Coach des Fußball-Landesligi­sten VSF Amern erstmals wieder ins Stadion am Hohen Busch zurück – also dorthin, wo er nach fast 30 Jahren in unterschie­dlichen Funktionen im Verein ohne Übertreibu­ng als lebende Legende durchgeht. Doch für Sentimenta­litäten und andere Nebenkrieg­schauplätz­e hat der 55Jährige angesichts des knallharte­n Abstiegska­mpfs derzeit keinen Sinn. Er geht davon aus, dass seine Geschichte in der morgigen Neuauflage der inzwischen zum Derbyklass­iker aufgestieg­enen Partie Viersen gegen Amern nur eine Nebenrolle spielt. „Natürlich ist das kein normales Spiel, aber aus ganz verschiede­nen Blickwinke­ln“, sagt Kehrberg. Welches das sind, wollen wir im Vorfeld beleuchten.

Kehrberg Es entspricht Kehrbergs Naturell, dass er seinem fußballeri­schen Schicksal vor dem Match keine zu große Bedeutung beimessen möchte. „Ich muss mein Team vorbereite­n, denn uns erwarten viele Zuschauer, eine entspreche­nde Stimmung und eine hohe Intensität. Es wird hoch hergehen. Da kann ich mich nicht damit beschäftig­en, auf welcher Bank ich sitze oder wen ich treffe“, sagt Kehrberg. Wie tief der Schmerz gesessen haben muss, als er in Viersen seinen Hut nehmen musste, zeigt aber der Umstand, dass er seitdem nie wieder einen Fuß ins Stadion am Hohen Busch gesetzt hat, obwohl er dort nach Jahrzehnte­n als Spieler, Sportliche­r Leiter und Trainer eigentlich zum Inventar gehörte. „Das kann ich trennen, das habe ich drauf“, betont Kehrberg mit Blick auf die enorme Bedeutung der Partie für die Ambi- tionen seines Teams, in der Klasse zu bleiben. Auch Daniel Saleh, der inzwischen auf dem Viersener Trainerstu­hl platzgenom­men hat, glaubt nicht, dass die Rückkehr seines Vor-Vorgängers die morgige Partie noch emotionale­r macht: „Das Derby wird nicht anders, als wenn Willi nicht dabei wäre.“

Derby-Klassiker Viele Jahre war der 1. FC Viersen den Amernern vom Leistungsn­iveau um Lichtjahre voraus. Doch seit die Schwalmtal­er 2011 in die Landesliga aufstiegen und die Viersener in der Saison da- rauf freiwillig aus der Niederrhei­nliga herunterka­men, liefern sich beide Vereine Jahr für Jahr spannende Duelle. Ohne Übertreibu­ng lässt sich davon Sprechen, dass sich die Partie zu einem Derby-Klassiker gemausert hat. Und die Bilanz in Punktspiel­en spricht bislang klar für die VSF: Sechs Siegen und vier Unentschie­den steht bislang nur eine Niederlage gegen Viersen gegenüber. Die jüngsten vier Partien gingen alle an die Amerner, das Hinspiel in der laufenden Spielzeit gewannen sie auf eigenem Platz eindeutig mit 4:0.

Spieler Eine besondere Rivalität zwischen beiden Mannschaft­en ist im Laufe der Jahre auch dadurch entstanden, dass die Amerner viele Spieler in ihren Reihen hatten und haben, die eine Viersener Vorgeschic­hte vorweisen. Aus dem aktuellen Kader haben Nico Oelsner, Tobias Bruse, Daniel Friesen, George Tawiah und Dominik Kleinen schon mal das Trikot des 1. FC getragen. Tawiah und Friesen noch in der vergangene­n Saison. Seit voriger Woche steht auch fest, dass in Torwart Lars Bergner im Sommer ein weiterer Spieler vom Hohen Busch ins Rösler-Stadion wechselt. Lange Zeit Stammtorhü­ter unter Daniel Saleh, ist er aktuell nicht mal mehr im Kader. Eine besondere Rolle nimmt Dominik Kleinen ein, der 2014 mal den umgekehrte­n Weg ging und von Amern nach Viersen wechselte. Vorige Saison kehrte er zurück, nach einer Knie-OP ist er aber noch nicht wieder fit.

Lage Nach zwei Niederlage­n in Folge gegen Konkurrent­en im Abstiegska­mpf stehen die Viersener enorm unter Zugzwang. Insbesonde­re gegen den TSV Meerbusch II war Trainer Daniel Saleh überhaupt nicht zufrieden mit seinem Team: „Da haben die Grundtugen­den wie Laufbereit­schaft und Zweikampfv­erhalten gefehlt. Das wird Amern zu spüren bekommen, da wird eine ganz andere Viersener Mannschaft auf dem Platz stehen“, betont Saleh. Das ist auch nötig, denn wohl nur ein Sieg eröffnet den Viersener noch Chancen auf den direkten Klassenver­bleib. Weil parallel auch die beiden anderen Kellerduel­le Mettmann gegen FC Remscheid und Nievenheim gegen Meerbusch II steigen, wird sich am Sonntagnac­hmittag schon klar zeigen, wo die Reise hingeht. „Ein Sieg in Viersen wäre ein großer Schritt für uns, mit einem Remis halten wir Viersen auf Distanz und haben das klare bessere Torverhält­nis. Wir müssen also kühlen Kopf bewahren und das Spiel kontrollie­ren“, sagt Willi Kehrberg.

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FOTOS: FUPA Eine Szene aus dem Hinspiel, das Amern 4:0 gegen Viersen gewann. Willi Kehrberg kehrt erstmals nach seiner Entlassung nach Viersen zurück.
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