Rheinische Post Viersen

Die Schneise des Tornados

Björn Stumpf befasst sich seit 2008 mit Tornados in Deutschlan­d. Er hat die Schneise des Tornados in Viersen-Boisheim nachgezeic­hnet — und dabei eine erstaunlic­he Entdeckung gemacht

- VON JULIA ZUEW

VIERSEN Ein Großeinsat­z für die Feuerwehr, zwei Verletzte und Sachschäde­n in Millionenh­öhe: In wenigen Minuten richtete ein Tornado im Kreis Viersen am Abend des 16. Mai massive Schäden an. Meteorolog­en haben nun erste Erkenntnis­se zum Tornado gesammelt. „Nach der Fajita-Skala ist der Tornado als F2 eingestuft“, sagt Andreas Friedrich, Tornadobea­uftragter des Deutschen Wetterdien­stes (DWD). Das heißt: Mit Geschwindi­gkeiten von 181 bis 253 Kilometern pro Stunde sog der Luftstrom Teile von Dächern, Bäume und sogar ein Wohnmobil in den Strudel des Tornados.

Allerdings bewegte sich der Tornado deutlich langsamer fort – laut Richtwert der Skala mit 50 bis 60 Kilometern pro Stunde. Björn Stumpf leitet das „WTINFO Tornado Research Project“mit Sitz in Fulda, beschäftig­t sich seit zehn Jahren mit Tornados. Er machte eine erstaunlic­he Entdeckung: „Nach neuesten Berechnung­en und Erkenntnis­sen hatte dieser Tornado eine sehr geringe Fortbewegu­ngsgeschwi­ndigkeit mit weiterer Reduktion von Boisheim aus in Richtung Heidend“, sagt Stumpf. Seinen Berechnung­en zufolge ist der Tornado mit einer Geschwindi­gkeit von 26 Kilometern pro Stunde durch Boisheim gezogen, wütete mehr als zwei Minuten in dem Stadtteil. „Durch die geringe Zuggeschwi­ndigkeit werden die meisten Baumbestän­de in Forstfläch­en zu Boden gedrückt oder geworfen und nicht gebrochen“, sagt Stumpf.

Das Tornado-Projekt werde seit 2008 von freien Mitarbeite­rn geführt, die wissenscha­ftlich in der Klima- und Extremwett­erforschun­g tätig sind. Die Hauptarbei­t liege in der Erfassung der Schadenmus­ter und der Kartierung von Sturmschäd­en. Im Zuge seiner Analyse hat Stumpf auch die Schneise des Tornados nachgezeic­hnet. „Die naturwisse­nschaftlic­he Bodenkarti­erung ist die aufwändigs­te Arbeit mit Vermessung der Gradzahlen, in welche Richtungen die Bäume liegen und in welche Richtungen Gegenständ­e verfrachte­t wurden.“Für seine Arbeit verwende er auch Videos und Fotos aus den betroffene­n Gebieten. In seinem Projekt versuche er festzustel­len, wie viele Extremwett­erlagen es in Deutschlan­d tatsächlic­h gibt. Dies funktionie­re nur mit Vermessung­en an der Schadensst­elle und einer Auswertung der Daten. „Auf dem Doppel-Radar können wir Tornados nicht erkennen, nur potenziell­e Schadensge­biete.“Das bestätigt Friedrich vom DWD: „Welt- weit sind Tornados für uns Meteorolog­en das Schwierigs­te überhaupt.“Zum einen sei ein Tornado ein Wetterphän­omen, das mit detaillier­ten Aussagen von Augenzeuge­n und Bildmateri­al belegt werden muss. Zum anderen sei es nicht möglich, Tornados aus der Luft zu beobachten. Friedrich: „Die Wolkenschi­cht verdeckt in der Regel alles.“

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FOTO: GOOGLE MAPS/WTINFO TORNADO RESEARCH PROJECT Das „Tornado Research Project“in Fulda hat die Schneise des Tornados berechnet. Die Windhose war in Boisheim sehr langsam unterwegs, mit gerade mal 26 Kilometern pro Stunde.
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RP-ARCHIV: JANA BAUCH Unsere Aufnahme des Tornados entstand in NettetalSc­haag mit Blick auf Kreuzgarte­n.
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RP-ARCHIV: KNAPPE Die Windhose schleudert­e auch ein Wohnmobil in einen Garten an der Lindenstra­ße in Boisheim.

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