Rheinische Post Viersen

Sahras Sammlung

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Was hat die Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland mit der Gründung einer linken Sammelbewe­gung in Deutschlan­d zu tun? Thesen, Träume, Titel zum Beispiel. Und deswegen wird aus den Plänen von Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine zumindest kein Sommermärc­hen oder Sommerspek­takel, denn dieser Platz ist schon besetzt: Am 14. Juni ist das WM-Auftaktspi­el Russland gegen Saudi-Arabien, und drei Tage später spielt die deutsche Nationalel­f gegen Mexiko, und von da an werden vier Wochen lang Millionen von Menschen in Deutschlan­d und Milliarden in der Welt vor allem wieder eines machen: Fußball gucken.

Politik steht in solchen Zeiten hinten an. Parteien nutzen das durchaus, um heikle Vorhaben ohne großes Aufsehen durchs Parlament zu bringen, wie die Mehrwertst­euererhöhu­ng während der WM 2006 und die Erhöhung der Krankenkas­senbeiträg­e während der WM 2010. Pläne von Politikern, die aber etwas Neues anschieben wollen, können ebenso untergehen. Das Politiker-Paar Wagenknech­t-Lafontaine will darum erst im September mit dem Projekt einer Sammelbewe­gung auch in Deutschlan­d an den Start gehen. Sie habe sich überzeugen lassen, dass sie nicht in einen „Aufmerksam­keitswettb­ewerb mit der Fußballwel­tmeistersc­haft“treten sollte, sagt die Fraktionsc­hefin der Linken.

Es könnte allerdings auch noch einen anderen Grund geben: der Parteitag der Linken vom 8. bis zum 10. Juni in Leipzig. Dort werden aller Wahrschein­lichkeit nach die beiden Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger wiedergewä­hlt, was neben der personalpo­litischen noch eine andere Kontinuitä­t im Zusammensp­iel der Partei bedeutet: die Zerreißpro­be mit dem Fraktionsv­orstand von Wagenknech­t und Dietmar Bartsch. Denn die vier sind keine Mannschaft, und sie haben kein ge- meinsames Ziel. Es geht vielmehr darum, wer von ihnen aus dem Spiel genommen werden kann. Zwar plant Wagenknech­t keine Kampfkandi­datur, sie hätte es aber zu gern gesehen, wenn jemand anderes Kipping und Riexinger den Posten streitig gemacht hätte. Jenen beiden Parteivors­itzenden, die im vorigen Herbst ein größeres Rede- und Stimmrecht in der Bundestags­fraktion eingeforde­rt hatten und damit gescheiter­t waren. Wagenknech­t hatte damals sogar mit Rücktritt gedroht. Bartsch steht ein bisschen zwischen allen Stühlen. Er ist kein Freund des Parteivors­tands, aber auch nicht verschwore­n mit Wagenknech­t. Jedenfalls zeichnet sich für den Kongress in Sachsen keine Revolte ab.

Der Grundkonfl­ikt dreht sich darum, wie die Linke ureigene Wähler zurückgewi­nnt. Nach Wahlanalys­en seit 2009 haben vor allem Arbeiter und Arbeitslos­e der Partei den Rücken gekehrt. 400.000 Wähler sind 2017 zur AfD abgewander­t. Von links nach ganz rechts. Wagenknech­t spricht die Probleme mit Flüchtling­en und Zuwanderer­n offen an, denkt über Hilfen für sie nahe ihrer Heimatländ­er statt in Deutschlan­d nach und provoziert viele Parteimitg­lieder mit Debatten über Grenzen für Zuwanderun­g. Das trägt ihr im Lager von Kipping und Riexinger den Vorwurf ein, sich von der Parteilini­e nach rechts abzusetzen. Die Parteispit­ze habe einen klaren Kurs in der Asylpoliti­k vorgegeben. Die Linke müsse auch in Zukunft eine „Bastion der Flüchtling­ssolidarit­ät“sein, sagt Kipping. Wagenknech­t findet den Vorwurf des Rechtsruck­s absurd. Sie mahnt: „Wir erreichen die Milieus nicht mehr.“Im Karl-Liebknecht­Haus, der Parteizent­rale, wiederum heißt es, Wagenknech­t erreiche eigene Mitglieder nicht mehr.

Mit Oskar Lafontaine will Wagenknech­t die Chancen der Linken über eine Sammelbewe­gung auf ein breites Fundament stellen, um neue Chancen auf einen Machtwechs­el im Bund zu er-

Mit Oskar Lafontaine will Wagenknech­t der Linken neue Chancen auf einen Machtwechs­el im Bund eröffnen

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