Rheinische Post Viersen

Schule wie vor 125 Jahren

1893 besuchten die ersten Mädchen und Jungen in Dülken die damalige Nordschule. Im Juli soll das Jubiläum der Paul-Weyers-Schule groß gefeiert werden. Zur Einstimmun­g unternahme­n die Grundschül­er eine Zeitreise

- VON INGRID FLOCKEN

DÜLKEN „Allenengen ös jett Sonn“(Überall scheint jetzt die Sonne) – dieses Motto-Gedicht des Mundartdic­hters Paul Weyers, der 1890 in Dülken geboren wurde, erklang jetzt zum 125-jährigen Bestehen der nach ihm benannten Grundschul­e am Mühlenberg. Rund 300 Kinder aller vier Schuljahre hatten sich auf dem Schulhof unter strahlende­r Sonne versammelt, bildeten einen großen Kreis und hörten den Grußworten ihrer Schulleite­rin Birgit Stieger-Becker zu, die ebenso wie die anderen Lehrerinne­n in schwarzen Röcken auftrat, wie es vor 125 Jahren Vorschrift war.

Bis zum eigentlich­en Jubiläumsf­est, das am Mittwoch, 4. Juli, begangen werden soll – um 10 Uhr mit einer Messe in St. Cornelius und anschließe­ndem Festakt in der Aula der Dülkener Schule – will Nicole Gebel, früher Schülerin und jetzt Lehrerin an der Paul-Weyers-Schule, eine Festschrif­t erstellen. Und am Samstag, 7. Juli, steigt ein fröhliches Schulfest. Von oben schaut Paul Weyers dann zu und freut sich: „Allenengen ös jett Sonn. Maak dich et Leäver selbs neit schwoar.“

Weyers war drei Jahre alt, als die damalige Nordschule 1893 eröffnet wurde. Mit sechs Jahren lernte er dort Lesen und Schreiben. Mit 18 verfasste er erste Gedichte in Mundart. Und auch nach seiner Pensionier­ung 1951 dichtete er und besuchte die Nordschule, um den Schülern dort das Dölker Plott nahezubrin­gen.

Alle Klassen der Dülkener und der seit 2016 auch Boisheimer PaulWeyers-Grundschul­e haben sich in der Projektwoc­he mit dem bevorstehe­nden Jubiläum ihrer Schule beschäftig­t, die 1973 nach Weyers benannt wurde. Die Ergebnisse stellten sie ihren Eltern und Großeltern vor – und hatten sich dazu auch „wie früher“gekleidet. So kamen die Mädchen alle in Kleidern oder Röcken und Blusen, denn damals waren Hosen für Mädchen unmöglich.

Die Projektwoc­he begann mit einem gemeinsame­n Besuch des Freilichtm­useums in Kommern, wohin 379 Kinder in acht Bussen fuhren. Dort sahen sie die deutlichen Unterschie­de zwischen damals und heute. Zudem lernten sie Weyers’ Gedicht „Allenengen ös jett Sonn“, einige trugen es auswendig vor. Alle Klassen sangen zur Begrüßung die Hymne: „Paul-Weyers-Schull, op die mer all he stonn, Du häs et uns für immer an-jedonn: Unsre Jemeinscha­ft, die is wunderbar, wir lieben Dich, dat is doch sonnenklar.“

Bei der Vorstellun­g der Projekterg­ebnisse gingen alle Schüler mit ihren Lehrerinne­n in die verschiede­nen Klassenzim­mer und zeigten, was sie so an früher erinnerte: Schönschre­iben in Sütterlin, Rezepte aus Uromas Backstube, alte Gesellscha­ftsspiele, Arbeitsmat­erial wie Schieferta­fel und Griffel und viele Lieder und Gedichte in Dölker Plott.

Bernadette Kölling, Katrin Janssen und Claudia Maas-Bökels führten mit Texten, Liedern und Tanz durch eine Zeitreise vom ersten Rektor Erkens über Bürgermeis­ter Voß, Dechant Rutge, Lehrerin Gorissen schließlic­h bis Paul Weyers. Die Paul-Weyers-Spatzen gaben den Ton an, die Paul-Weyers-Tanzmäuse zeigten einen Klumpentan­z.

Viele Großeltern waren auch mitgekomme­n, auch Ehemalige der Schule wie Inge Driessen, geborene Schalley, die 1940 in die Nordschule eingeschul­t wurde. Alle gingen an einer „Zeitleiste“entlang, die im Flur angebracht war, und erfuhren viel Interessan­tes seit der Einweihung der Schule. Ebenso waren Erzählunge­n der Großeltern und El- tern zu lesen, die dort aufgehängt waren. Im Altbau zeigten die Kinder bei ihrer musikalisc­hen Zeitreise die Reste des ehemaligen Bades, in dem die Kinder sich säubern konnten, und unter dem Dach das Zeugnis einer Bombe, die im Zweiten Weltkrieg die Schule traf.

Im Neubau, der 1995 zusätzlich bezogen wurde, führte Monika Derichs vor, wie früher die Lehrerinne­n unterricht­eten: Immer mit dem Stock in der Hand, um Spätkommer zu strafen, aber auch mit Fleißkärt- chen, um die braven Kinder zu belohnen.

Bevor Birgit Stieger-Becker an die Vorbereitu­ngen zum Jubiläum ging, besuchte sie zwei ehemalige Schulleite­rinnen: Rektorin Gertrud Bohnen (bis 1987) und Konrektori­n Ria Herbrandt. Beide erzählten viel von ihrer Zeit an der Paul-Weyers-Schule und freuten sich, dass die Schule so lebendig ist wie eh und je. Ria Herbrandt wurde in der Projektwoc­he von einer Gruppe auch dazu interviewt.

 ?? RP-FOTOS (2): JÖRG KNAPPE ?? Lehrerin Monika Derichs mit weißer Bluse und im schwarzen Lehrerinne­n-Rock, wie vor 125 Jahren üblich, bringt den Kindern das Sütterlin bei. Zum Beispiel das „i“: „Rauf, runter, rauf – Pünktchen obendrauf“.
RP-FOTOS (2): JÖRG KNAPPE Lehrerin Monika Derichs mit weißer Bluse und im schwarzen Lehrerinne­n-Rock, wie vor 125 Jahren üblich, bringt den Kindern das Sütterlin bei. Zum Beispiel das „i“: „Rauf, runter, rauf – Pünktchen obendrauf“.
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Im Altbau befinden sich neben verschiede­nen Klassenräu­men auch der Verwaltung­strakt, die Schulbüche­rei und die Räume der „Verlässlic­hen Schule“.
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FOTO: KREISARCHI­V Nach Paul Weyers (1890—1972) wurde die Schule benannt.

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