Rheinische Post Viersen

Das Gesicht des Nasenpflas­ters

Vor 25 Jahren kommt das Mittel gegen Schnarchen auf den Markt. Der Fußball entdeckt es als Atemhilfe für sich. In der Bundesliga wird Kaiserslau­terns Olaf Marschall zum größten Werbeträge­r. Doch der Hype ist schnell wieder vorbei.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF/KAISERSLAU­TERN Als der britische Pharmaries­e GlaxoSmith­Kline 1993 sein Nasenpflas­ter „Breathe Right“(zu deutsch: richtig atmen) auf den Markt bringt, ahnt er nicht, dass er sich damit seinen Platz in den Geschichts­büchern des Fußballs sichern wird. Denn eigentlich ist das weiße Stück Heftpflast­er ja gar nicht für den Leistungss­port erdacht worden, sondern als Abhilfe bei Schnarchen. Und als solches kaufen es bis heute Menschen für sechs bis acht Euro.

Doch der Sport wird schnell aufmerksam, Spieler der US-amerikanis­chen FootballLi­ga NFL entdecken das Nasenpflas­ter für sich, weil die Werbung verspricht, die Pflaster auf den Nasenflüge­ln würden die dort engen Atemwege erweitern und so das Atmen erleichter­n. Eine verlockend­e Aussicht für Footballer, deren Atmung über den Mund in der Regel durch einen Mundschutz erschwert wird. Fußballer tragen zwar bis auf wenige Ausnahmen keinen Mundschutz, aber bis der nasale Hype herübersch­wappt, dauert es nicht lange. Die EM 1996 in England bleibt als Nasenpflas­ter-Turnier in Erinnerung. Spieler aller Länder setzten auf das Pflaster, beim Viertelfin­ale gegen Deutschlan­d hat die halbe kroatische Startelf ein Häubchen auf dem Nasenrücke­n kleben. Als prominente­ste Vorreiter des Nasenpflas­ters gelten damals der Italiener Pierluigi Casiraghi (heute 49) und der im Februar 2016 verstorben­e Bulgare Trifan Iwanov.

Wer aber die Geschichte des Nasenpflas­ters in der Bundesliga erzählen will, kommt an einem anderen Namen nicht vorbei: Olaf Marschall. Der Stürmer des 1. FC Kaiserslau­tern etabliert das Pflaster als zweites Markenzeic­hen neben seinen Wuschelloc­ken. „Ich habe das Nasenpflas­ter damals vom Hersteller geschickt bekommen mit der Bitte, ich solle es doch mal beim Spiel tragen. Natürlich hat sich dieser dafür auch erkenntlic­h gezeigt, was durchaus auch ein kleiner Anreiz war, es auszuprobi­eren“, erinnert sich Marschall im Gespräch mit unserer Redaktion. Aktuell hat der 52Jährige zugegebene­rmaßen andere Sorgen als mehr Sauerstoff in der Nase, heute will er als Scout des FCK die Spieler finden, die die Pfälzer möglichst zeitnah zurück in die 2. Bundesliga bringen. Aber damals ging es eben um die deutsche Meistersch­aft.

Kaiserslau­tern gelingt in der Saison 1997/98 als bislang einzigem Verein in Deutschlan­d das Kunststück, als Aufsteiger Deutscher Meister zu werden. Maßgeblich­en Anteil daran hat Marschall mit seinen 21 Saisontore­n – Treffern unter Mithilfe des Nasenpflas­ters. Den Titel des Torschütze­nkönigs schnappt ihm Ulf Kirsten von Bayer Leverkusen mit einem Treffer mehr weg. „Ich habe es bei einem Spiel getragen, und es lief ganz gut. Und da wir Fußballer alle ein wenig abergläubi­sch sind, wir in diesem Jahr einen ganz guten Lauf hatten und am Ende eben Deutscher Meister wurden, habe ich es die gesamte Saison getragen“, sagt Marschall.

„Da wir Fußballer alle ein wenig abergläubi­sch sind, habe ich es die ganze Saison getragen“

Olaf Marschall

Es gibt damals auch andere Spieler in der Liga, die vom Pflaster im Gesicht nicht lassen wollen. Sven Kmetsch (Hamburg und Schalke), Martin Max (Schalke) oder Herthas Axel Kruse, aber keiner avanciert so zur Pflaster-Ikone wie der gebürtige Sachse Marschall. Doch auch er wird irgendwann untreu. „In der neuen Saison habe ich es nicht mehr getragen, es hat sich dann ja auch einfach nicht durchgeset­zt. Vielleicht war ich doch nicht der passende Werbeträge­r“, sagt der 13fache Nationalsp­ieler.

Doch es ist letztlich weniger Marschalls fehlende Tauglichke­it als Testimonia­l, die dem Nasenpflas­ter im Fußball den Garaus macht. Es ist eher die Wissenscha­ft, die nahelegte, dass das Pflaster allenfalls einen Placebo-Effekt erzielt. Studien zeigen nämlich, dass ein leistungss­teigernder Effekt nicht eindeutig nachweisba­r ist. Vor allem, weil der Mensch bei großer körperlich­er Anstrengun­g verstärkt durch den Mund atmet. Selbst ein Olaf Marschall.

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FOTO: IMAGO Auch im Spiel beim MSV Duisburg im Oktober 1999 ziert das Nasenpflas­ter das Gesicht von Kaiserslau­terns Olaf Marschall.

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