Rheinische Post Viersen

Mehr Anarchie bei Borussia mit Traoré

Der Dribbler war in den vergangene­n beiden Spielzeite­n meist verletzt. Damit fehlte seine Unberechen­barkeit im Offensivsp­iel.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Wenn Borussias Manager Max Eberl und Trainer Dieter Hecking beisammens­itzen, um zu analysiere­n, was in der abgelaufen­en Spielzeit gefehlt hat, werden sie auch zurückspul­en zum Anfang des saisonalen Films und sich zwei Szenen anschauen aus den ersten beiden Pflichtspi­elen: dem Pokalspiel bei Rot-Weiss Essen und dem Derby gegen den 1. FC Köln. In beiden Szenen ist Ibrahima Traoré der Hauptdarst­eller. Der Flügelmann leitete mit seinen Hereingabe­n jeweils die Siegtore ein.

Im Stadion an der Essener Hafenstraß­e drehte Traoré an der Grundlinie seinen Gegenspiel­er derart ein, dass diesem womöglich noch heute schwindeli­g ist. Seine Flanke legte Thorgan Hazard Raffael vor, der das 2:1 erzielte. Gegen Köln schickte Lars Stindl Traoré auf die Reise, der schaute kurz und passte quer in den Lauf von Nico Elvedi, der mit einem Flachschus­s zum 1:0 der DerbyHeld wurde.

Es schien, als könne es Traorés Saison werden. Er hatte sich besonders vorbereite­t, hatte einen Privattrai­ner engagiert, nachdem er in der Spielzeit zuvor lange verletzt gewesen und auf nur 22 Pflichtspi­eleinsätze gekommen war. In der Vorbereitu­ng hatte er schon angedeutet, dass er gut drauf ist, nun kam er perfekt in die Saison. Tatendurst­ig, spielfreud­ig, effektiv – genau diesen Traoré hatte Hecking in seiner ersten Halbserie als Gladbacher Trainer vermisst. Spricht man mit Hecking über die Borussen, die den Unterschie­d machen können, fällt Traorés Name immer. Kicker wie der mit 1,72 Metern kleinste Borusse sind selten geworden, echte Außenstürm­er, die nicht mehr als einen Bierdeckel Platz brauchen, um eine Abwehr aufzureiße­n. Nicht umsonst haben die Bayern erneut mit den Altherren Franck Ribéry und Arjen Robben verlängert – und nicht umsonst ist Traoré ein Hoffnungst­räger der Gladbacher für die neue Saison. Trotz seiner nunmehr 30 Jahre und der wenig erbauliche­n Verletzung­shistorie der letzten beiden Spielzeite­n.

Denn das Verspreche­n der ersten beiden Spiele löste sich in der ver- gangenen Saison schnell in Luft auf. „Es war eine verlorene Saison: Ich habe kaum gespielt“, gesteht Traoré. Er machte nur neun Pflichtspi­ele. „Für mich war die Saison wie für das gesamte Team. Wir haben mehr erwartet. Aber wir können es nicht mehr ändern“, sagt Traoré. Er will die Sommerpaus­e nutzen, um rich- tig fit zu werden. Er verbringt viel Zeit bei seiner Familie in Paris und macht als gläubiger Moslem den Fastenmona­t Ramadan mit. Abschalten, Kraft tanken, den Kopf frei kriegen, um dann ab dem 1. Juli, wenn die Vorbereitu­ng auf die neue Saison beginnt, „voll da“zu sein.

Dass er dem Team helfen wird, wenn er durchgehen­d fit ist, davon geht er aus: „Ich glaube an meine Qualität.“Traoré ist auf dem Rasen ein Anarchist und darum kaum berechenba­r für die Gegner, wenn er hakenschla­gend über das Spielfeld saust, mal die Außenlinie entlang, mal nach innen ziehend im Robben-Style. Nebenbei ist er einer, der es auch mal aus der Ferne versucht. Er versprüht Spielfreud­e, damit kann er die anderen mitreißen. Beim schwachen letzten Spiel in Hamburg leitete er kurz nach seiner Einwechslu­ng die Chance von Oscar Wendt zum 2:1 ein, die der Schwede nicht nutzte. Ein Traoré mit Ball ist immer für eine Szene gut und kann Lethargie beiseitesc­hieben.

Traoré, der gerade Vater geworden ist, kann der sein, der das manchmal zu bürokratis­che und zu zaudernde Borussen-Spiel um die nötige Brise Verrückthe­it erweitert, zudem hat er viel Speed auf dem Platz, das soll künftig ein Merkmal von Borussias Offensive sein. Der soeben verpflicht­ete junge Engländer Keanan Bennetts hat auch solche Anlagen – man kann sich Traoré und ihn als eine geschwinde Vari– ante einer Flügelzang­e in einem 43-3-System vorstellen, die dann dem vielleicht neuen Abnehmer im Strafraum (oder auch dem Josip Drmic der letzten Saisonwoch­en) zuarbeitet. Dass Traoré nur zum Hoffnungst­räger taugt, wenn er fit ist, weiß er. „Ich hoffe, dass ich jetzt gesund bleibe“, sagt er. Was die Reha der vergangene­n Saison angeht, wurde er schon vom neuen medizinisc­hen Partner „Medical Park“betreut. Die Reise zum Tegernsee trug dazu bei, dass Traoré schneller als erwartet zum Comeback kam nach einer für einen Muskelfase­rriss rätselhaft langen Ausfallzei­t von fünf Monaten. Am Tegernsee ist auch wieder das Gladbacher Trainingsl­ager. Vor einem Jahr war dort noch alles gut bei „Ibo“. Dieses Mal soll es während der gesamten Saison so bleiben. „Ich will wieder angreifen“, sagt Traoré. Für sich selbst und für Borussia.

 ?? ARCHIVFOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Auch mit 30 Jahren ist Ibrahima Traoré noch ein Hoffnungst­räger für die Borussen. Der Außenstürm­er versucht es auch mal aus der Distanz, ist quirlig und kann eine Abwehr aufreißen – wenn er denn fit ist.
ARCHIVFOTO: DIRK PÄFFGEN Auch mit 30 Jahren ist Ibrahima Traoré noch ein Hoffnungst­räger für die Borussen. Der Außenstürm­er versucht es auch mal aus der Distanz, ist quirlig und kann eine Abwehr aufreißen – wenn er denn fit ist.

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