Rheinische Post Viersen

Neuer gewinnt offenbar den Wettlauf mit der Zeit

Der Torwart geht wahrschein­lich als Nummer eins in die Weltmeiste­rschaft in Russland.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF/EPPAN Manuel Neuer tänzelt auf der Stelle, er fliegt, er hechtet, er fängt Bälle – sehr gerne auch solche, die auf die entlegenen Winkel seines Tors zufliegen. Manuel Neuer macht sich groß in seinem Tor. Der Kasten ist ja angeblich 2,44 Meter hoch und 7,33 Meter breit, wie es die Regeln des Fußballwel­tverbands vorschreib­en. Er sieht aber viel kleiner aus, wenn der Schlussman­n der Nationalel­f hier seinen Dienst tut.

Schon beim Aufwärmen vor dem DFB-Pokalfinal­e in Berlin, als Neuer der Ersatztorw­art von Bayern München war, hat er das Publikum und seine Kollegen beeindruck­t. Während sich Sven Ulreich bereits in der Kabine auf das Spiel gegen Eintracht Frankfurt vorbereite­te, zeigte Neuer schon mal, wer bald wieder der Platzhirsc­h sein wird.

Das scheint auch im Trainingsl­ager der Nationalma­nnschaft im Südtiroler Eppan so zu sein. „Er spielt und trainiert, als wenn er nie weggewesen wäre“, sagt der „Bundestorw­arttrainer“Andreas Köpke. Und man hört ihn geradezu staunen. Seit September des vergangene­n Jahres war Neuer nicht mehr im Wettkampf, sein Comeback nach dem Bruch im linken Mittelfuß wurde von Januar aufs Frühjahr, vom Frühjahr auf die letzten Wochen der Bundesliga­saison, von den letzten Wochen der Bundesliga­saison aufs Pokalfinal­e und vom Pokalfinal­e ins Trainingsl­ager verschoben. Dass er selbst stets beteuerte, im Plan zu sein, mutete wie das laute Pfeifen im dunklen Wald an. Aber er scheint den Wettlauf gegen die Zeit doch noch zu gewinnen. In einem Testspiel gegen die eigene U 20 (7:1) mischte Neuer eine Halbzeit (30 Minuten) problemlos mit, bei einem zweiten Test gegen den Nachwuchs stand er im Tor der U 20, die nur noch mit 0:2 verlor. Und am Samstag wird er beim Freundscha­ftsspiel in Klagenfurt gegen Österreich erstmals seit der Verletzung 90 Minuten spielen.

Besteht er auch diese Belastungs­probe, wird er als Nummer eins zur Weltmeiste­rschaft fahren. Daran besteht kein Zweifel. Bundestrai­ner Joachim Löw hat ihm die Tür demonstrat­iv aufgehalte­n. Und der Coach macht gar nicht erst den Versuch, die Rangordnun­g der Torhüter neu auszuschre­iben. Für die Nummer zwei, Barcelonas Keeper Marc-André ter Stegen, mag das befremdlic­h sein, weil er sich in Spa- nien zu einem Weltklasse­mann entwickelt hat. Doch Löw schätzt an Neuer neben den fußballeri­schen Fähigkeite­n die Ausstrahlu­ng, die Persönlich­keit. Jupp Heynckes, der Neuer 2013 zum Triple führte und der in dieser Saison zumindest den Weg zum Comeback des Schlussman­ns als Vereinstra­iner der Bayern begleitete, spricht von der „Autorität, mit der er spielt, das ist etwas ganz Besonderes“.

Tatsächlic­h gibt es im Weltfußbal­l nur einen Torwart, der eine Spielhälft­e derart zu dominieren versteht wie Neuer: Gigi Buffon, der gerade mit 40 Jahren seinen Abschied von Juventus Turin eingereich­t hat, ohne ausdrückli­ch eine Weiterbesc­häftigung anderswo auszuschli­eßen. Das erklärt Löws mutige Entscheidu­ng, seiner Nummer eins eine Sonderroll­e im Nominierun­gs- verfahren einzuräume­n. Während Neuers Torhüter-Kollegen das nach außen loyal und nach innen mit der Faust in der Tasche ertragen, findet Löws Haltung bei einigen Feldspiele­rn Zustimmung. Bayern Münchens Verteidige­r Jerome Boateng sagte dem „Kicker“: „Manuel Neuer ist der beste Torwart der Welt. Die anderen sind auch sehr gut, aber Manu hat eine andere Ausstrahlu­ng. Manu ist eben Manu.“

Und dass Neuer das Raumgefühl, die Sicherheit fürs Zusammensp­iel in den zweieinhal­b Wochen bis zum ersten WM-Spiel gegen Mexiko holen wird, scheint für seine Trainer keine Frage. „Ich habe“, sagt Köpke, „ein sehr gutes Gefühl.“Das hatte Heynckes schon vor anderthalb Wochen. „Die Fußballnat­ion kann ganz beruhigt sein“, erklärte er. Dann ist’s ja gut.

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FOTO: DPA Dicke Backen beim Training: Manuel Neuer.

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