Rheinische Post Viersen

Mehr Geduld, weniger Fehlertole­ranz

Borussias Scouting-Chef Steffen Korell erklärt, wie die Suche nach neuen Spielern funktionie­rt.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Wenn Borussias Manager Max Eberl den grünen Filzstift zur Hand nimmt, den er gewöhnlich nutzt, um den Vertrag mit einem neuen Spieler zu unterschre­iben, sitzt er genau genommen neben einem guten Bekannten. Denn die Männer, die Borussen werden, sind vorab bestens bekannt im Klub. Dafür sorgt die Scouting-Abteilung. Stapelweis­e Material wird angesammel­t über Spieler, die interessan­t sind für Gladbach oder es mal werden könnten, und jeder neue Mann ist mehrmals gesichtet worden, damit es passt mit dem Spieler. Eine Garantie gibt es nie, aber die Wahrschein­lichkeit, dass es so ist, soll möglichst hoch sein.

Steffen Korell ist der Direktor der Scouting-Abteilung, es gibt fest angestellt­e Scouts für den Profiberei­ch und auf Honorarbas­is für den Nachwuchsb­ereich. Hinzu kommt ein Netzwerk an Fußball-Menschen, die Borussia-affin sind, wie Ex-Spieler. „Wir bekommen Anregungen aus vielen verschiede­nen Quellen. Bei Filip Daems können wir zum Beispiel aus Belgien Informatio­nen einholen, bei Roel Brouwers aus den Niederland­en und bei Igor Demo aus der Slowakei“, sagt Korell.

Der Markt ist ständig im Wandel, das hat direkte Auswirkung­en auf die Arbeit der Scouts. „In den vergangene­n fünf Jahren hat sich unsere Arbeit grundlegen­d verändert“, sagt Korell. „Spieler, die damals für uns machbar waren, kosten heute exorbitant hohe Ablösesumm­en.“Maximilian Philipp, der 2017 vom SC Freiburg nach Dortmund ging, wäre damals ein typischer Gladbach-Transfer gewesen, kostete nun aber 20 Millionen Euro und war somit zu teuer für Gladbach. „Darum müssen wir immer kreativer werden“, sagt Korell, der frühere Profi.

Der Leitfaden für die Spielersuc­he ergibt sich aus der Klubphilos­ophie und dem (dazu passenden) Ansatz des Trainers. Es gibt zum Beispiel viele Mittelstür­mer-Typen – aber welcher passt zu Borussia? Die Abteilung Sport definiert das Profil, die Scouts machen sich auf die Suche. „Deswegen sind wir in die Entwicklun­g des Teams einbezogen, wir müssen mit den Augen des Trainers und des Kaderplane­rs Max Eberl die Spieler sichten“, sagt Korell.

Er war gerade wieder unterwegs und schaute sich mögliche neue Borussen an. Spätestens zwei Tage nach der Sichtung werden die Beobachtun­gen in das Scoutingsy­stem eingepfleg­t. „Unsere Datenbank ist groß. Wir kennen alle Spieler sehr gut, es geht aber auch darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden, sie zu holen“, sagt Korell. Es geht nicht darum, einen Transfer möglichst schnell abzuwickel­n, sondern die richtige Entscheidu­ng zu treffen. Den „richtigen Zeitpunkt“definieren viele Faktoren. „Wenn zum Beispiel Michael Cuisance bei AS Nancy im Profiteam schon gespielt hätte, wäre es für uns wohl zu spät ge- wesen“, sagt Korell. Einer wie Cuisance, der in Frankreich das Prädikat Top-Talent hat, wäre dann wohl nicht mehr erschwingl­ich gewesen.

Auch Keanan Bennetts (19), der erste Zukauf dieses Sommers, hat noch kein Spiel „oben“in der Premier League aufzuweise­n, sondern kam nur in der Uefa Youth League sowie der Premier League 2 zum Einsatz – und er hat auch nur selten für englische U-Nationalte­ams gespielt. So war er unter dem Radar der Top-Klubs. „Darum konnten wir ihn kaufen“, sagt Korell. Dass Bennetts, dessen Mutter aus Hamburg kommt, Deutsch spricht, kommt als Vorteil hinzu. „Das macht die Integratio­n leichter. Da stimmt das gesamte Paket. Aber auch bei ihm investiere­n wir vor allem in das Potenzial“, sagt Korell.

Talente aus dem Ausland sind die eine Säule, deutsche Talente wie Florian Neuhaus, der 2017 verpflicht­et, dann an Fortuna Düsseldorf verliehen wurde und nun Borusse wird, die andere. Gerade der Übergangsb­ereich zwischen 17 und 20 Jahren ist interessan­t für Gladbach. Für den gibt es einen Spezialist­en im Scouting-Team. Eigengewäc­hse sollen weiterhin ein wichtiger Faktor sein, Doch zuletzt taten sich die Talente aus dem eigenen Haus schwer, den Sprung zu schaffen. Weswegen die Borussen den Bereich Jugend-Scouting ausbauen werden. „Durch den Erfolg der letzten Jahre haben sich die Ansprüche auch bei uns verschoben. Wir müssen daher noch mehr in das JugendScou­ting investiere­n“, sagt Korell.

Gestandene Spieler sind die dritte Säule in der Kaderplanu­ng. Es gibt auch in diesem Segment reichlich Namen in der Datenbank, aber eben auch das finanziell­e Limit. „Viele der Spieler können wir uns nur leisten, wenn wir Spieler abgeben“, sagt Korell. Das Geld wird dann in mehr Wahrschein­lichkeit investiert, dass der neue Spieler sofort helfen kann. Die beiden anderen Säulen setzen Geduld voraus. „Und sie muss noch größer werden“, sagt Korell. „Bei größeren Transfers dürfen wir uns keine Fehler erlauben.“

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FOTO: IMAGO (ARCHIV) Immer auf der Suche nach neuen Borussen: Manager Max Eberl und Scouting-Direktor Steffen Korell. Bislang wurden sie in England fündig – bei Keanan Bennetts stimmte das Gesamtpake­t.

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