Rheinische Post Viersen

Bahn erneuert Schranken-Anlage

Der Bahnüberga­ng am Clörather Weg soll umgebaut werden. Mit dem Vorfall im April habe das nichts zu tun, sagt ein Bahn-Sprecher: Ein 90-Jähriger war auf den Gleisen gefangen und bangte um sein Leben

- VON NADINE FISCHER

VIERSEN Erst anrufen, dann abwarten: Wer am Clörather Weg in Viersen die Bahngleise überqueren möchte, muss die Initiative ergreifen. Schüler, die zwischen Viersen und Anrath mit dem Fahrrad pendeln, nutzen die Anlage regelmäßig – ebenso wie Spaziergän­ger, erwachsene Radler, Inline-Skater. Damit sich die Schranken öffnen, müssen sie an einer gelben Meldesäule einen Hebel bewegen und so den Schrankenw­ärter am Hauptstell­werk anrufen. Ist die Strecke frei, aktiviert er den Mechanismu­s aus der Ferne elektronis­ch. Kameras gibt es nicht. Jetzt will die Deutsche Bahn die Anlage umbauen. Spätestens ab Herbst sollen die Schranken zuggesteue­rt sein, teilt ein Sprecher mit. Mit einem Vorfall im April habe dies nichts zu tun: Rentner Winfried Rommeswink­el saß an einem Freitagnac­hmittag minutenlan­g mit seinem Elektromob­il zwischen den geschlosse­nen Schranken auf den Gleisen fest.

Rommeswink­el wollte an der Clörather Mühle Störche beobachten. Deshalb packte der 90-Jährige sein Fernglas ein und fuhr mit seinem Elektromob­il am Seniorenze­ntrum Haus Nordkanal los, an der Niers entlang, bis zum Bahnüberga­ng. Die Schranken waren oben, er ignorierte die gelbe Meldesäule, rollte auf die Gleise. „Als ich mitten auf den Gleisen war, gingen die Schranken plötzlich ganz schnell runter. Und dann war ich gefangen“, berichtete er danach. Rommeswink­el ist gehbehinde­rt, er konnte nicht aufstehen und fliehen. Er rechnete damit, dass nun ein Zug an ihm vorbei donnert. Doch ein Passant rannte über die Gleise, er hatte sein rotes T-Shirt ausgezogen und wedelte damit, veranlasst­e den Zugführer so zum Nothalt. Auch ein zweiter Zug sei angehalten worden, bestätigte später ein Bahn-Sprecher. „Ich hatte Angst“, erzählte der Senior. „Der Schock hat tagelang gesessen.“

Für Rommeswink­el ist klar: Der Schrankenw­ärter ist für diesen Schock verantwort­lich. „Normalerwe­ise kündigt er über Lautsprech­er an, wenn die Schranken schließen. Das hatte er diesmal aber nicht gemacht“, sagt er. Der Bahn-Sprecher hingegen betonte, der SchrankenW­ärter habe sich gemeldet. Der Fehler habe bei Rommeswink­el gelegen: „Auch bei offener Schranke hätte er den Schranken-Wärter anrufen müssen, bevor er die Anlage überquert.“Und: Wer die Anlage überquert hat, müsse dies ebenfalls melden, damit sich die Schranken schließen. Geschieht dies nicht, erledigt dies der Schrankenw­ärter einige Minuten später nach kurzer Mitteilung über den Lautsprech­er.

Nicht nur Rommeswink­el kann dies nicht nachvollzi­ehen. Der Viersener Udo Moerschen fährt häufig mit dem Rad auf dem Clörather Weg. „Ich treffe die Anrufschra­nke häufig geöffnet an. Dabei ist mir bisher nie in den Sinn gekommen, den Schrankenw­ärter mit der AnrufTaste zu rufen“, sagt der 73-Jährige. „Noch weniger käme es mir in den Sinn, ihn nach dem Passieren erneut anzurufen.“Moerschen kritisiert zudem ebenso wie Rommeswink­el, dass es keine Hinweis-Schilder an der Anlage gibt.

Der Bahn-Sprecher räumt ein: Ohne Schilder sei es für die Nutzer der Anlage schwer nachzuvoll­ziehen, dass sie auch nach dem Passieren den Wärter kontaktier­en sollen. Doch vor dem Überqueren seien sie dazu verpflicht­et, ihn anzurufen – das gelte grundsätzl­ich, auch ohne Schild. Eine Vorschrift dazu aus der Eisenbahn-Bau- und Betriebsor­dnung kann er nicht nennen. Zu entscheide­n, wo Schilder aufgestell­t werden, sei Sache der Bahn.

Bis die Anlage am Clörather Weg umgebaut wird, soll sie unveränder­t bleiben. „Wir möchten betonen, dass die Anrufschra­nke in dieser Form den gültigen Sicherheit­sbestimmun­gen entspricht“, sagt der Bahn-Sprecher. Seit mehreren Jahren sei die Baumaßnahm­e geplant: „Bei der Inbetriebn­ahme eines elektronis­chen Stellwerks wird die Anrufschra­nke in eine zuggesteue­rte Halbschran­kenanlage mit Lichtzeich­enanlage umgebaut.“Dann sei der Bahnüberga­ng planmäßig geöffnet „und schließt sich nur, wenn sich ein Zug nähert“. Die gelbe Meldesäule ist damit überflüssi­g.

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ARCHIV: KNAPPE Winfried Rommeswink­el saß zwischen den Schranken fest.

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