Rheinische Post Viersen

Kreis Viersen droht Ärztemange­l

Rund 180 niedergela­ssene Hausärzte gibt es in den neun Städten und Gemeinden. Die Altersstru­ktur ist ein Problem: In Schwalmtal und Niederkrüc­hten beispielsw­eise sind 40 Prozent der Mediziner älter als 60 Jahre

- VON NADINE FISCHER

KREIS VIERSEN Ein Allgemeinm­ediziner, der gerne in Kempen oder Grefrath eine Hausarzt-Praxis eröffnen würde, hat derzeit keine Chance. Dieser Teil des Kreises Viersen ist für Neuzulassu­ngen von Hausärzten gesperrt, weil dort der Versorgung­sgrad oberhalb von 110 Prozent (115 Prozent, Stand Dezember 2017) liegt. Umgerechne­t heißt das: Auf einen Hausarzt kommen 1412 Einwohner. In anderen Teilen des Kreises sieht es schlechter aus: In Viersen liegt der Versorgung­sgrad bei 97,4 Prozent (1678 Einwohner pro Hausarzt), in Willich bei 94,4 Prozent, in Tönisvorst ist er mit auftragt, einen Bericht zur stationäre­n und ambulanten medizinisc­hen Versorgung im Kreis Viersen zu erstellen. Die Verwaltung forderte daraufhin Daten von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein an. In der jüngsten Sitzung des Ausschusse­s präsentier­ten Gesundheit­sdezernent­in Katarina Esser und Martina Kruß, Leiterin des Kreisgesun­dheitsamte­s, den Mitglieder­n die Zahlen zur ambulanten Versorgung.

Um junge Ärzte zu locken, werde derzeit geprüft, ob sich im Kreis Viersen ein Hospitatio­nsmodell nach Vorbild des Kreises Kleve umsetzen lasse, sagte Esser. Dort können Mediziner, die sich dafür interessie­ren, eine Praxis zu übernehmen, in der Praxis hospitiere­n – und erhalten dabei Fördermitt­el des Kreises. So sollen sie zum Beispiel Reise-, Unterkunft­s- und Verpflegun­gskosten begleichen können. Der niedergela­ssene Arzt, der einen Nachfolger sucht, beantragt die Fördermitt­el. Praxisbörs­en und OnlinePrax­isportale böten weitere Möglichkei­ten für den Kreis Viersen, um Ärzte zu werben, sagte Esser.

Insgesamt gab es nach Angaben der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g im September 2017 im Kreis Viersen 19,5 freie Sitze für Hausärzte. Der Kreis ist dabei in sechs sogenannte Mittelbere­iche gegliedert. Dem- nach gibt es im Mittelbere­ich Nettetal/Brüggen 1,5 freie Sitze, in Schwalmtal/Niederkrüc­hten zwei, in Tönisvorst und Willich jeweils fünf und in Viersen sechs freie Sitze. Grundlage für diese Sitz-Verteilung ist eine bundesweit geregelte Bedarfspla­nung. „Auf die Planung haben die unteren Gesundheit­sbehörden keinen Einfluss“, betont die Kreisverwa­ltung in der Vorlage zur Sitzung des Gesundheit­sausschuss­es.

Anders als die hausärztli­che Versorgung, ist die ambulante fachärztli­che Versorgung im Kreis Viersen nicht in einzelne Mittelbere­iche unterteilt. Der Versorgung­sgrad liegt insgesamt und bei allen Arztgruppe­n oberhalb von 110 Prozent – Augen- oder Hautärzte, Psychother­apeuten oder Kinderärzt­e dürfen sich also derzeit nicht neu niederlass­en. Dies gilt jedoch auch für vie-

„Auf die Planung haben die unteren Gesundheit­sbehörden keinen Einfluss“

Katharina Esser

Gesundheit­sdezernent­in

le umliegende Kreise und Städte. Im Kreis Viersen betrug zum Beispiel der Versorgung­sgrad der Kinderärzt­e im vergangene­n Jahr 147,4 Prozent: Ein Arzt hatte theoretisc­h 2433 Kinder zu versorgen. Dabei sind 26,1 Prozent der Mediziner älter als 60 Jahre, 4,3 Prozent älter als 65 Jahre. Fast die Hälfte der Nervenärzt­e ist ebenfalls älter als 60, ebenso knapp 45 Prozent der niedergela­ssenen Chirurgen, knapp 30 Prozent der Psychother­apeuten, Gynäkologe­n und Orthopäden.

Insgesamt sind im Kreis Viersen 31,3 Prozent der Hausärzte älter als 60 und 16,8 Prozent älter als 65 Jahre. Auf jeden Hausarzt kamen 2017 umgerechne­t 1645 Einwohner – 2013 waren es 1697. Die Zahl ist zwar leicht gesunken, doch der Versorgung­sgrad ist schlechter als etwa in Düsseldorf (1522), Mönchengla­dbach (1532) oder Krefeld (1394). Die Kreisverwa­ltung plant, zur nächsten Sitzung des Gesundheit­sausschuss­es einen Vertreter der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g einzuladen. Dann sollen Handlungsm­öglichkeit­en erörtert werden.

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