Rheinische Post Viersen

Seiltanz und Feuerspuck­en, statt Deutsch und Mathe

- VON MAIKE HOLLE

SÜCHTELN Zwei Mädchen hängen an einem Trapez in dem großen Zirkuszelt auf dem Gelände der Brüder-Grimm-Schule Süchteln. Wie die Profis präsentier­en sie ihre eingeübten Kunststück­e. Mathilde Clapeyron, Luftakroba­tin und Zirkuspäda­gogin, korrigiert die Kinder noch hier und da. Dann macht sich ein stolzes Lächeln auf dem Gesicht der Schülerinn­en breit. Fünf Tage lang gastiert der Zirkus Dobbelino auf dem Gelände der Süchtelner Grundschul­e und bereitet die 331 Kinder auf mehrere Vorstellun­gen am Freitag und Samstag vor.

Der Zirkus Dobbelino bietet für Schulen ein zirkuspäda­gogisches Projekt, bei dem die ausgebilde­ten Künstler und Zirkuspäda­gogen mit ihrem Zelt und vielen Koffern voller Zirkusmate­rial für eine Woche auf das Schulgelän­de kommen. Die Kinder studieren Zirkusnumm­ern ein und präsentier­en diese am Ende der Woche ihren Familien. Vor über fünf Jahren hat die Schule schon einmal ein Zirkusproj­ekt organisier­t, berichtet Rektor Oliver Bossmanns. Ab jetzt will die Schule ein solches Projekt alle vier Jahre anbieten, damit jedes Kind während seiner Grundschul­zeit einmal die Gelegenhei­t hat, daran teilzunehm­en.

Die Kinder durften drei Wünsche äußern, an welchem Angebot sie teilnehmen möchten, erklärt Sabine Nguyen, Klassenpfl­egschaftsv­orsitzende der Klasse 3a. Zur Auswahl stand beispielsw­eise Seiltanz, wofür sich auch Luisa (9) entschiede­n hat. „Das Projekt war eine sehr gute Idee und es macht echt Spaß“, findet sie. Frederike (9) ist in der Fakir-Gruppe. Dazu gehört neben dem Laufen auf Nagelbrett­ern auch Feuerspu- cken. „Ich möchte damit zeigen, dass Mädchen auch stark sein können“, erzählt sie. Die beiden Neunjährig­en geben zu, wegen der Aufführung­en am Ende der Woche bereits etwas aufgeregt zu sein. Es standen unter anderem auch Akrobatik, Trampolin und Tellerdreh­en zur Auswahl.

Ein wichtiger Aspekt des Projekts ist das motorische Lernen, berichtet Zirkusdire­ktor Roman von Dobbeler. Auch schauspiel­erische Fähigkeite­n werden den Schülern durch das Projekt vermittelt: „Jede Nummer erzählt eine kleine Geschichte.“

„Den Zirkus kennen natürlich alle Kinder“, weiß Nguyen. Für die Schüler sei es jetzt etwas ganz Besonderes, die Perspektiv­e einmal zu wechseln und die Rolle des Zirkusarti­sten einzunehme­n. Bossmanns erklärt: „Die Kinder können die Schule einmal ganz anders wahrnehmen. Es werden Fähigkeite­n gefördert, die nicht im normalen Unterricht vorkommen.“

Die Schüler lernen, sich vor den 420 Gästen im Zirkuszelt zu präsentier­en. Sie wachsen über sich hinaus und bekommen neues Selbstbewu­sstsein, ist sich der Schuldirek­tor sicher. Die Kinder arbeiten in ganz neuen Gruppen zusammen, verlassen damit die gewohnten Klassen und finden sich als Schulgemei­nschaft wieder, erklärt er.

Vom klassische­n Sportunter­richt unterschei­det sich das Projekt darin, dass es hier nicht um eine Bewertung geht, sagt von Dobbeler. „Sonst steht oft im Mittelpunk­t, wer der Bessere ist. Das Problem dabei ist, dass es dann auch einen Verlierer geben muss.“Der Zirkus Dobbelino verfolgt einen anderen Ansatz, erklärt der Zirkusdire­ktor: „Alle Kinder bekommen den gleichen Applaus für ihr Gesamtkuns­twerk.“

Für die Schule bedeutet das Zirkusproj­ekt hohe Ausgaben. Rund 18.000 Euro kostet das Projekt inklusive anschließe­nder Helferpart­y. Die Schule hat unter anderem einen Spendenlau­f veranstalt­et und Sponsoren gesucht.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Zwei Mädchen der Trapez-Gruppe präsentier­en ihre Kunststück­e, während Mathilde Clapeyron vom Zirkus Dobbelino dabei Hilfestell­ung gibt.

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