Rheinische Post Viersen

„Da weiß man: Alles richtig gemacht“

Marita Incalcante­rra war langzeitar­beitslos. Als Altenpfleg­ehelferin fand sie nicht nur einen neuen Job, sondern auch zu ihrer Berufung.

-

„Als sie ging, hatte sie ein Lächeln im Gesicht.“Frau D. lebt nicht mehr. Marita Incalcante­rra erinnert sich gerne an sie, an die Zeit und die Zuwendung die sie der alten Dame auf ihrem letzten Weg schenken durfte. Daran, wie sich ihr Atem beruhigte, wenn die Pflegehelf­erin unzählige Male ihre zittrige Hand streichelt­e und an die Nacht, in der Frau D. ihr langes gelebtes Leben friedlich loslassen konnte.

„Da weiß man, man hat alles richtig gemacht. Jeder Zuspruch, jede Hand, die sie auf dem letzten Weg gehalten hat, nichts war umsonst. Mit Liebe und Respekt sterben zu können, das ist unendlich viel.“

Wenn Marita Incalcante­rra über ihre Arbeit spricht, dann spricht sie auch über den Tod. „Der gehört zum Leben dazu. Verdrängen geht nicht, in einer Seniorenei­nrichtung sowieso nicht.“Spaß an der Altenpfleg­e: Geht das überhaupt? Die lachenden Augen der 50-Jährigen sprechen eine deutliche Sprache. Sie liebt und lebt ihren „Job“, den sie heute Berufung nennt.

„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, sagte einmal Franz Kafka. Marita Incalcante­rra kann das bestätigen. Sie ist in ihrem Leben weit herumgekom­men. Die Vierseneri­n zog es nach einer Ausbildung zur Erzieherin noch sehr jung in die Ferne. Eigentlich sollte es nur ein Besuch bei der Schwester in den Staaten sein. Es wurden mehr als 20 Jahre daraus. Der „American Way of Life“gefiel ihr. Sie heiratete, gründete eine Familie, arbeitete erfolgreic­h mal hier und mal da, machte als Semi-Profispiel­erin beim Billard von sich reden.

Kurz nach dem Scheitern der Ehe kam der Ruf aus der alten Heimat. Die pflegebedü­rftige Mutter brauchte Hilfe und Unterstütz­ung. Die Wahl-Amerikaner­in ging zurück nach Viersen. „Ich für die Pflege, meine Brüder für Haushalt und Einkäufe: „Das klappte gut“, erinnert sich Incalcante­rra. Was nicht klappte, war der Wiedereins­tieg in die Berufstäti­gkeit. „Zu lange raus, keine Berufserfa­hrung in Deutschlan­d, viel zu alt“, das hörte sie jetzt oft. Unzählige Bewerbunge­n brachten sie nicht zum Ziel. Konsequenz: Hartz IV.

Keine Arbeit? Eine völlig neue Situation für die motivierte Frau. Hoffnung gab es vor knapp zwei Jahren durch ihre Sachbearbe­iterin vom Jobcenter der Stadt Viersen: Wie wäre es mit Altenpfleg­e? Natürlich, sie kümmerte sich gerne um ihre Mutter, aber über einen profession­ellen Quereinsti­eg hatte sie nie nachgedach­t. Ein Praktikum brachte die Erkenntnis: „Das ist genau mein Ding!“

Über ESF – ein Bundesprog­ramm zum Abbau von Langzeitar­beitslosig­keit – kam sie schnell zu ihrem Vertrag im „Haus Greefsgart­en“, Seniorenze­ntrum der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Viersen. Ein richtiger Glücksgrif­f, so sieht das auch Pflegedien­stleiterin Gisela Roszler. „Pflegehilf­skräfte sind wertvolle Mitarbeite­r und Fachkenntn­isse keine Voraussetz­ung. Für mich kommt es auf die richtige Grundeinst­ellung an. Empathie, Spaß an der Arbeit und das Herz am rechten Fleck: Alles andere kann bei uns gelernt werden. Weiterbild­ungen geben zusätzlich­e Sicherheit.“Gerade hatte Marita Incalcante­rra ihr Abschlussg­espräch mit der Ansprechpa­rtnerin vom Jobcenter und Wohnbereic­hsleiterin Monika Jungerberg. Das individuel­le Förderproj­ekt läuft aus, die Pflegehelf­erin bleibt – bei ihren Seniorinne­n und Senioren im „Haus Greefsgart­en“.

Freude pur bei Marita Incalcante­rra: „Ich habe schon viel probiert im Leben, aber in diesem Beruf sind Seelenfutt­er und Herznahrun­g absolut inklusive. Alles richtig gemacht!“

 ??  ??
 ?? FOTO: SENIORENZE­NTRUM ?? Marita Incalcante­rra (rechts) mit Wohnbereic­hsleiterin Monika Jungerberg bei der Seniorin Marianne Manigel.
FOTO: SENIORENZE­NTRUM Marita Incalcante­rra (rechts) mit Wohnbereic­hsleiterin Monika Jungerberg bei der Seniorin Marianne Manigel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany