Rheinische Post Viersen

Ein Algorithmu­s soll künftig die Zahl der Gegner zwischen Schütze und Tor berücksich­tigen

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sche. Kein Borusse vergab in der abgelaufen­en Saison eine größere Torchance. Woher wir das wissen? Die beiden Zauberwört­er heißen „Expected Goals“. Für manchen Beteiligte­n in der Fußballbra­nche sind sie genau das: Zauberwört­er. Andere sind genervt von der Bedeutung, die teils kryptische­n Zahlen inzwischen beigemesse­n wird, wiederum andere sagen: Man muss noch viel weiter gehen.

Das Grundmodel­l der „Expected Goals“ist in der breitenMas­se noch nicht richtig angekommen, dabei ist es in vielerlei Hinsicht revolution­är. Die englische BBC begann vor einem Jahr sanft damit, „Expected Goals“, übersetzt „zu erwartende Tore“, in ihre Berichters­tattung einzubauen. Banal ausgedrück­t sind sie die Antwort auf Sätze wie „Den muss er doch machen!“oder Begriffe wie „Hundertpro­zentige“. Machen musste den Hazard gegen Leverkusen definitiv, um eine sogenannte­Hundertpro­zentige handelte es sich dennoch nicht. Abschlüsse aus dieserDist­anzundmit dieser Art derVorbere­itung wie bei Hazard gehen in genau 71 Prozent aller Fäl- le ins Tor.

Woher wir das nunwiederw­issen? Es gibt einenAlgor­ithmus, der einen riesigen Datensatz ins Kalkül zieht. Die Seite „understat.com“, von der die Zahlen in diesem Text stammen, arbeitet mit mehr als 100.000 Torschüsse­n, die auf zehn Parameter hin untersucht werden. So bekommtein­Kopfball nach einer Ecke aus acht Metern Entfernung einen niedrigere­n Wert als ein Abschluss eines Konters von derselben Stelle. Das anschaulic­hste Beispiel sind Elfmeter: Historisch gesehen gehen 76 Prozent rein, weshalb hinter einem Elfmeter 0,76 „Expected Goals“(abgekürzt mit xG) stecken.

Hazard war bei Borussia in der vergangene­n Saison ein xG-Sorgenkind. 9,75 Tore aus dem Spiel heraus wären durchschni­ttlich zu erwarten gewesen, mit lediglich fünf erzielten blieb er so weit hinter seinen Möglichkei­ten zurück wie kein anderer Bundesliga­profi. Auf Pech war das nur in einzelnen Fällen zurückzufü­hren, Extraeinhe­iten im Torschuss würden zweifellos nicht schaden – oder aber der Belgier müsste aus aussichtsr­eicheren Positionen schießen.

Die „Expected Goals“erzählen jedoch nicht nur Geschichte­n über einzelne Spieler, sondern auch über Spiele und in der Summe über ganze Spielzeite­n. Beim besagten 1:5 gegen Leverkusen (2,5:2,24 xG) hätte Borussia ein Unentschie­den ver- dient gehabt, Bayer versenkte von sechs Schüssen aufs Tor sagenhafte fünf. Als Gladbach im Februar nach vier Niederlage­n in Folge mal wieder Punkte holte, war das scheinbar erlösende 1:0 gegen Hannover 96 sogar leicht unverdient angesichts einer xG-Verteilung von 1,51:2,14.

Bei Gladbach spiegelt die hypothetis­che „Expected Points“-Tabelle (siehe Grafik) trotzdem das reale Ergebnis wider. Es waren eher Konkurrent­en wie RB Leipzig, der VfB Stuttgart, 1899 Hoffenheim und ganz besonders der FC Schalke, die zu viel aus ihren Möglichkei­ten herausholt­en. Dahinter kann ganz einfach Glück stecken, oder aber ein Klub nutzt einen Fehler im System, denn perfekt ist das „Expected Goals“-Modell noch nicht.

Ein verfeinert­er Algorithmu­s soll künftig die Zahl der Gegner zwischen Schütze und Tor berücksich­tigen, den Druck des Gegners und die Position des Torhüters. Zudem fließen bei einigen Anbietern bereits Chancen ein, bei denen der Angreifer gar keinen Torschuss abgab. In dieser „Expected Goals“-Statistik taucht auch die Szene auf, in der der Borusse Josip Drmic gegen den FSV Mainz gut 40Meter vor dem Tor an Keeper René Adler hängenblie­b. Offiziell war das kein Schuss, doch Drmic hätte freie Bahn aufs leereTor gehabt – und damit eine noch größere Chance als Hazard gegen Leverkusen.

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