Rheinische Post Viersen

Warum Seehofer recht hat – und Merkel auch

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Wenn es ernst wird in der CDU, trifft oftWolfgan­g Schäuble den richtigen Ton. Von einer „historisch­en Stunde“sprach der CDU-Bundestags­präsident in der Fraktionss­itzung. Seine Botschaft: Wegen des Streits in der Asylpoliti­k darf nicht die Bundesregi­erung zerbrechen, Europa wäre in der nächsten Krise. Der erfahrenst­e Parlamenta­rier hat recht. Ein Ende der Koalition, die ja schon nur unter Schmerzen gebildet wurde, wäre ein Desaster. Und das, obwohl Horst Seehofer in der Sache gute Argumente hat. Die Zurückweis­ung von Flüchtling­en, die bereits in einem anderen EU-Land aufgetrete­n sind, entspricht europäisch­em und deutschem Recht. Die Dublin-Regel sieht das vor. Es war die Bundeskanz­lerin, die im Sommer 2015 die Regel de facto außer Kraft gesetzt hatte und stets von einer „Ausnahmesi­tuation“sprach. Diese Ausnahme dauert nun drei Jahre.

Nur ein Bruchteil der Flüchtling­e aus sicheren EU-Staaten wird zurückgebr­acht. 2017 waren es 7000 von 65.000. Diesen Asyl-Tourismus wollte die Dublin-Regel ja verhindern. Solange sich Europa aber auf kein einheitlic­hes Asylsystem einigen kann, gilt Dublin. Das kann man bedauern, es ist aber so. Seehofer fordert das, was längst Recht ist. Das alles weiß natürlich auch Angela Merkel. Sie hat im Koalitions­vertrag ja eine Steuerung und Ordnung in der Flüchtling­sfrage versproche­n. Warum so stur?

Nun argumentie­rt die Kanzlerin, dass die EU-Außenstaat­en unter einer einseitige­n deutschen Maßnahme leiden würden. Das muss aber nicht sein. Die Zurückweis­ungen würden sich herumsprec­hen und der Anreiz für Flüchtling­e sinken. Zweitens ließen sich parallel zu den schärferen Grenzkontr­ollen bilaterale Abkommen mit Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenla­nd verhandeln. Darin könnte sich Deutschlan­d auf Kontingent­e verpflicht­en oder Hilfen in Aussicht stellen. Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Angela Merkel hat offensicht­lich Sorge, dass das Bild, das von ihr 2015 weltweit gezeichnet wurde, in sich zusammenbr­icht. „Mama Merkel“. Dabei stellt kaum einer ihre humanitäre Entscheidu­ng, Flüchtling­e aus Budapest einreisen zu lassen, infrage. Nur hätte man gerne ein Ende der Ausnahmesi­tuation. Die europäisch­e Lösung ist richtig, aber man muss sie irgendwann auch hinbekomme­n.

Trotzdem: An einer Frist von zweiWochen kann eine Koalition nicht zerbrechen.Warum soll Angela Merkel nicht die Zeit bekommen, die Zurückweis­ungen mit den europäisch­en Partnern vorzuberei­ten? Die CSU sollte die Kanzlerin arbeiten lassen, die Fußball-WM genießen, und wenn Deutschlan­d alsWeltmei­ster zurückkomm­t, sind vielleicht alle etwas entspannte­r.

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