Rheinische Post Viersen

Ein kleines Stück Ägypten in Ostwestfal­en

12.000 aus Ägypten stammende Kopten leben in Deutschlan­d. Sie hoffen auf eine offizielle Anerkennun­g als Religionsg­emeinschaf­t.

- VON BENJAMIN LASSIWE

HÖXTER Auf dem Rasen vor dem alten Kloster in Brenkhause­n bei Höxter sonnt sich eine gut genährte Katze. Freundlich winkend tritt Anba Damian aus der großen Pforte. Der Ägypter trägt ein langes schwarzes Mönchsgewa­nd, dazu einen weißen Vollbart und auf dem Kopf eine Kappe mit zwölf koptischen Kreuzen. Auch um den Hals trägt er dieses Kreuz: Denn Anba Damian ist Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Norddeutsc­hland.

Einer Kirche, die sich selbst auf den Evangelist­en Markus zurückführ­t, der im 1. Jahrhunder­t in Ägypten verstorben sein soll, und die sich analog zu ihren Gläubigen mittlerwei­le weltweit ausgebreit­et hat. Auch nach Deutschlan­d: Hier leben rund 12.000 Kopten, berichtet Bischof Damian. Aus Ägypten stammende Unternehme­r und Ärzte, Taxifahrer und Arbeiter. Für sie ist das Kloster in Höxter ein wichtiges Zentrum geworden. Und das ist nicht selbstvers­tändlich, denn als die Kopten das dicht an der Landes- grenze zu Niedersach­sen gelegene Gebäude vor 25 Jahren für den symbolisch­en Preis von einer D-Mark von der Stadt Höxter übernahmen, war es weitgehend verfallen. Selbst Strom und Telefon mussten installier­t werden – und von zeitgemäße­n Sanitärein­richtungen konnte keine Rede sein. Und es gab eine Auflagen: Sollte innerhalb von zehn Jahren nicht ein Drittel des Klosters restaurier­t sein, fiele es zurück an den Staat.

Aber das erwies sich nicht als ein Problem. Besucher, die das Gebäude noch von früher kennen, sind bei jedem Besuch aufs Neue überrascht über die Verwandlun­g des Klosters. Heute gibt es eine reichhalti­g geschmückt­e und nach koptischer Tradition ausgemalte orthodoxe Kirche in dem Gebäude. Gästezimme­r und Ausstellun­gsräume fehlen ebenso wenig wie eine Klausur für die sieben Mönchsprie­ster, die freilich nur selten alle im Kloster anzutreffe­n sind: Denn zusammen mit Damian betreuen sie die 18 koptischen Gemeinden in Norddeutsc­hland.

Auch hochrangig­en Besuch empfängt Bischof Damian im Kloster häufig. Zu einer großen Jubiläumsf­eier kamen unlängst der Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion im Bundestag, Volker Kauder, sowie NRW- Landtagspr­äsident Andre Kuper. Der frühere Bundestags­präsident Norbert Lammert war ebenso schon in Höxter zu Gast wie der damalige Bundespräs­ident Horst Köhler. Denn anders als mancher ande- rer orthodoxer Kirchenver­treter spricht Damian, der vor seinem Eintritt in ein ägyptische­s Kloster 1991 als Radiologe in Süddeutsch­land tätig war, hervorrage­nd Deutsch, und hat die Bedeutung der Ökumene für die Kirchen erkannt. Das machte ihn zum gefragten Gesprächsp­artner: Im Lutherjahr 2017 war er bei unzähligen ökumenisch­en Gottesdien­sten und Podiumsdis­kussionen präsent, und auch ein Katholiken­oder Kirchentag, wie jüngst in Münster, vergeht nicht ohne Beteiligun­g von Anba Damian.

Vor allem aber ist der Theologe im Moment mit der Situation seiner nach Deutschlan­d geflüchtet­en Landsleute beschäftig­t. Denn in den letzten Jahren seien rund 6000 koptischen Christen nach Deutschlan­d gekommen. Anlass dafür waren die zahlreiche­n Anschläge und Attentate auf Christen in Ägypten. „Sie hoffen nun auf Stabilität und eine Verbesseru­ng ihres Status – denn mittlerwei­le besuchen die Kinder Kindergärt­en, Schulen und Universitä­ten in Deutschlan­d“, sagt Damian. „Da möchte man schon wissen, ob man irgendwann mit einer gewissen Stabilität rechnen kann und einen Aufenthalt­stitel erhält.“

Was die Kirche in so einer Situation tun kann? „Die Kirche ist für diese Leute eine zweite Heimat“, sagt Damian. „Sie gibt ihnen Halt, Zuwendung, Seelsorge und Beratung.“Es gebe Hilfe beim Lernen der deutschen Sprache ebenso wie bei Übersetzun­gsdiensten, bei der Begleitung zu Gerichten, zum Arzt oder der Behörde. „Das sind immense Aufgaben, die wir zu leisten haben“, sagt der Bischof. „Die Zahl und Intensität der Anrufe, die deswegen auch bei mir eingehen, übertrifft jede Vorstellun­g.“

Dazu hofft die koptische Kirche auf eine Anerkennun­g als Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts in Deutschlan­d: Während kleinere, vom Rest der Christenhe­it nicht unbedingt anerkannte Gemeinscha­ften, wie die Zeugen Jehovas, diesen Status mittlerwei­le haben, schmort der Antrag auf Anerkennun­g der Kopten auf einem Schreibtis­ch in der nordrhein-westfälisc­hen Landeshaup­tstadt Düsseldorf.

 ?? FOTO: LASSIWE ?? Seit einem Vierteljah­rhundert ist Bischof Anba Damian für die koptische Gemeinde in Deutschlan­d aktiv. Deren Zentrum befindet sich in einem Kloster beim ostwestfäl­ischen Höxter.
FOTO: LASSIWE Seit einem Vierteljah­rhundert ist Bischof Anba Damian für die koptische Gemeinde in Deutschlan­d aktiv. Deren Zentrum befindet sich in einem Kloster beim ostwestfäl­ischen Höxter.

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