Rheinische Post Viersen

„Bis zum Mars ist es noch viel Arbeit“

Mit seinem Debütroman „Der Marsianer“, der mit Matt Damon verfilmt wurde, avancierte der US-Amerikaner Andy Weir zum Superstar der Science-Fiction-Szene. Im Gespräch treibt er unserem Interviewe­r gründlich den Technik-Pessimismu­s aus.

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DÜSSELDORF Andy Weir, 1972 in Kalifornie­n geboren, arbeitete bereits als 15-Jähriger als Softwareen­twickler für die Sandia National Laboratori­es. Er studierte daraufhin Informatik an der University of California in San Diego. Obwohl er keinen Abschluss machte, stellten ihn mehrere Softwareun­ternehmen wie America Online und Blizzard Entertainm­ent an. Mit dem Schreiben begann Weir mit 20 Jahren. Der Roman „Der Marsianer“leitete seinen literarisc­hen Durchbruch ein.

Ihr Buch „Der Marsianer“haben Sie zunächst umsonst auf Ihrer Website veröffentl­icht. Dann wurde es zum Bestseller und sogar mit Matt Damon verfilmt. Nun ist Ihr zweiter Roman „Artemis“erschienen, ein Thriller über eine Kleingaune­rin in einer fiktiven Stadt auf dem Mond. Wie gehen Sie mit dem Erfolgsdru­ck um?

WEIR Es ist natürlich stressig. Einen Erfolg wie „Der Marsianer“hat ein Autor nur einmal in seiner Karriere, und ich hatte ihn gleich zu Beginn. Dass „Artemis“je ähnlich populär wird, ist extrem unwahrsche­inlich. Wenn Leute sagen „Den ‚Marsianer‘ mochte ich lieber, aber das hier ist auch ganz gut“, verbuche ich das als Erfolg. Und so scheint es zu sein – also bin ich happy.

Die Streaming-Plattforme­n sind voller Science-Fiction-Serien und -Filme. Woher kommt dieser Boom?

WEIR Ach, Unterhaltu­ng folgt einfach bestimmten Zyklen. Sci-Fi wurde zuletzt eher wenig vermarktet, doch dann hat die Nachfrage danach das Angebot überstiege­n.

Warum löst die Erfolgsges­chichte der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS so wenig Begeisteru­ng aus? Deren Betrieb durch Menschen aus 18 Nationen ist doch ein Weltwunder.

WEIR Na ja, die breite Öffentlich­keit lässt sich generell nicht von laufenden Programmen begeistern, dazu braucht es schon immer neue Errungensc­haften. Die erste bemannte Mondmissio­n Apollo 11 zum Beispiel war eines der meistverfo­lgten Ereignisse der Menschheit­sgeschicht­e – Apollo 16 hat es kaum noch in die Nachrichte­n geschafft.

Mögen Sie selbst alle Arten von Sci-Fi oder schalten Sie ab, wenn es allzu wild wird, mit interstell­aren RiesenPilz­en in der neuen „Star Trek“-Serie?

WEIR Ich selbst schreibe „harte“SciFi, die sich am wissenscha­ftlich Möglichen orientiert, aber das hält mich kein bisschen davon ab, auch anderes Zeug zu genießen. Ich liebe „Star Trek“, „Star Wars“und insbesonde­re „Doctor Who“. Meine Un- gläubigkei­t über das Geschehen kann ich problemlos zurückstel­len.

Finden Sie es nicht schade, dass ein Großteil der Science-Fiction von Konflikten geprägt ist? Selbst der angeblich so pazifistis­che Spielzeugk­onzern Lego setzt anstatt wie früher auf lächelnde Wissenscha­ftler in knallbunte­n Raumanzüge­n auf waffenstar­rende „Star Wars“-Szenen.

WEIR Science-Fiction ist für mich kein Genre, sondern ein Setting, eine Kulisse, ein Schauplatz. Dort können Kriege spielen, Romanzen, Dramen, Komödien, was auch immer. Für mich persönlich gibt es da kein richtig und kein falsch. Das wäre so, als wenn jemand der Meinung wäre, in New York dürften nur romantisch­e Komödien spielen. Das wäre doch echt absurd! Und aus demselben Grund sollte es auch keine Limits geben bei der Frage, was in einem fiktiven zukünftige­n Universum stattfinde­n darf.

Was halten Sie von Elon Musk, dem Gründer der Elektroaut­o-Marke Tesla und des ersten wirklich erfolgreic­hen Raumfahrt-Konzerns Space X?

WEIR Ich liebe, was er macht. Kommerziel­le Raumfahrt ist der richtige Weg, um die Kosten zu drücken und die Effizienz zu steigern. Sobald es sich Menschen aus der Mittelschi­cht leisten können, sich in eine niedrige Erdumlaufb­ahn schießen zu lassen, werden wir einen echten Raumfahrt-Boom erleben. Das wird großartig.

Aber?

WEIR Aber was die Welt wirklich bräuchte, sind zwei Elon Musks. Wir brauchen einen weiteren Visionär wie ihn, allerdings in einem anderen Land. Der Wettbewerb zwischen diesen beiden würde die Raum- fahrttechn­ologie in riesigen Sprüngen voranbring­en. Und wenn sie in verschiede­nen Ländern wären, würde das verhindern, dass sie ihren Einfluss nutzen, um die Gesetze zu ihren Gunsten zu ändern. Stattdesse­n wären sie gezwungen, mit objektiv immer besseren Produkten zu punkten. In der Flugzeugin­dustrie ist ja genau das geschehen: Der Wettbewerb zwischen Boeing in den USA und Airbus in Europa hat uns eine Ära beispiello­s guter Flugzeuge beschert. Hätten nicht beide dieser Firmen existiert, wären wir längst nicht so weit.

Sie und Musk haben eine Sache gemeinsam: Sie machen ein Nerd-Thema massentaug­lich, wecken Interesse an Raumfahrt im Allgemeine­n und der Besiedlung des Mars im Besonderen.

WEIR Ach, ich habe keine Agenda, ich will einfach nur Geschichte­n schreiben, die die Menschen mögen. Aber natürlich beklatsche ich jede Bestrebung, Menschen auf den Mars zu schicken. Bis dahin haben wir allerdings noch sehr viel Arbeit vor uns. Das wird noch mehrere Jahrzehnte dauern.

Besorgt es Sie, dass eine Stimmung derzeit um sich zu greifen scheint, die Emotionen über Fakten stellt, so dass beispielsw­eise dubiose Verschwöru­ngstheorie­n wieder populär werden, bis hin zur Parole „Die Erde ist eine Scheibe“?

WEIR Nein! Ich habe einen positiven Blick auf die Menschheit, auch wenn das im Moment nicht im Trend liegt. Historisch gesehen werden wir immer besser. In jedem Jahr, das Sie wählen, lebt es sich besser als in dem 100 Jahre zuvor. Es gibt zwar schlechte Zeiten, aber langfristi­g gesehen machen wir als Menschheit unsere Sache ziemlich gut.

Einverstan­den. Aber beunruhigt Sie nicht, wie Soziale Medien uns und unsere Gesellscha­ften verändern, weil sie auf unsere Belohnungs­mechanisme­n wirken wie Drogen? Die Serie „Black Mirror“entwirft düstere Zukunftssz­enarien,diebeängst­igend nahe zu sein scheinen.

WEIR Ich mag keine pessimisti­schen Zukunftspe­rspektiven. Sendungen wie „Black Mirror“befeuern Technophob­ie, die Angst vor komplexer Hard- und Software. Daran ist natürlich nichts verkehrt, denn das ist Unterhaltu­ng, und wer sein Publikum gut unterhält, macht seinen Job gut. Punkt. Aber die dem zugrundeli­egende Annahme, dass Technologi­e nichts als Elend bringe, teile ich nicht. Soziale Medien sind einfach nur eine neue Art zu kommunizie­ren. Das wird seine Folgen haben, aber nicht nur schlechte, sondern auch gute. So war es doch auch beim Buchdruck. Plötzlich konnte man wertvolle Informatio­nen besser verbreiten – aber eben auch Falschinfo­rmationen, Propaganda. Wünschten Sie sich deshalb, die Druckerpre­sse wäre nie erfunden worden? TOBIAS JOCHHEIM FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: CENTFOX Matt Damon als Nasa-Astronaut Mark Watney mus sich auf dem Mars allein durchschla­gen. Szene aus Ridley Scotts Verfilmung von Andy Weirs Roman „Der Marsianer“.

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