Buddeln nach den Hinterlassenschaften der Hippies
Archäologen durchforsten das Woodstock-Gelände. Ihre Funde liefern Erkenntnisse über das wohl berühmteste Konzert der Welt.
BETHEL (ap) Würden sie ein altes Peace-Zeichen finden? Eine HippieKette? Oder das Gitarren-Plektrum von Jimi Hendrix? Fünf Tage lang haben Archäologen den berühmten Hügel durchkämmt, auf dem 1969 das Woodstock-Festival stattfand. Akribisch wühlten sie sich durch die Erde aus der Zeit der Blumenkinder.
Dabei förderten die Wissenschaftler einige wenig spektakuläre Gegenstände zu Tage: Teile alter Getränkedosen und Glasscherben. Doch die wichtigste Mission der Archäologischen Fakultät der Binghamton University im US-Staat New York war es, die genauen Orte der legendären Konzerte zu bestimmen, mit denen The Who, Creedence Clearwater Revival, Janis Joplin, Joe Cocker und anderen Künstlern vor 49 Jahren die Massen begeisterten.
„Der übergreifende Zweck dieser Untersuchung ist es, den Bühnenbereich abzustecken“, erklärt Projektdirektor Josh Anderson. Er kniet neben einem Loch, in dem noch die Überreste eines Zauns zu sehen sind, der damals 400 000 Fans vom Bühnenbereich fernhielt. „Das können wir als Bezugspunkt verwenden“, sagt Anderson. „Die Menschen können von hier aus den Hügel hinaufschauen und sagen: „Oh, hier standen die Künstler. Jimi Hendrix hat hier gestanden und um halb neun Uhr morgens Gitarre gespielt.“
Alternden Babyboomern mögen sich dagegen die Nackenhaare sträuben beim Gedanken, dass Archäologen wie ein Schlachtfeld jenen Ort durchforsten, dessen Name buchstäblich zum Symbol ihrer Generation wurde. Doch die alte Farm des Milchbauern Max Yasgur knapp 130 Kilometer nördlich von New York City steht bereits auf der Liste der historischen Stätten in den USA. Der Hügel wird seit den späten 90er Jahren von einer gemeinnützigen Organisation geschützt, die auch ein angrenzendes 60er-Jahre-Museum in Bethel Woods betreibt.
Museumsdirektor Wade Lawrence sagt: „Dies ist eine bedeutsame historische Stätte der amerikanischen Kultur, eines der wenigen friedlichen Ereignisse, an das man sich aus den 60er Jahren erinnert.“Aus Luftaufnahmen von dem damaligen August-Wochenende gehe nicht eindeutig hervor, wo genau sich 1969 Bühne, Lautsprecher und Beleuchtungsanlagen befunden hätten, erklärt Lawrence. Vor Ort erhobene Daten seien zwar hilfreich. Allerdings sei der Fuß des Hügels Ende der 90er Jahre wieder begradigt worden, um Platz für eine provisorische Bühne zu schaffen. Der Ort der ursprünglichen Bühne liegt heute unter einer Dichtungsschicht.
Doch die Archäologen gehen davon aus, dass sie die Stelle ausfindig gemacht haben, an der ein Ma- schendrahtzaun an der Seite des Bühnenraums auf den hölzernen „Peace-Zaun“traf, der vor der Bühne verlief. Jetzt können sie Konzertfotos bestimmten Punkten auf dem Feld zuordnen – und damit schätzen, wo sich vor 49 Jahren die Ränder der Bühne befanden. Während der Ausgrabungen rollten die For- scher quadratmeterweise das hohe Gras zurück. Auf der Suche nach Hinweisen auf den Grundriss des früheren Festivalgeländes kratzten sie Zentimeter für Zentimeter vorsichtig die Erde beiseite.
„Ein Teil ist Wissenschaft, ein Teil ist Rätselraten“, sagt der Archäologe Paul Brown, der eine quadratische Fläche bearbeitet. „Wir hoffen, dass wir Glück haben.“
Die Fundstücke der Wissenschaftler sollen nun analysiert und nach Tiefe und Lage des Fundorts kartographiert werden. Selbst scheinbar nutzlose Objekte wie die Öffnungsringe von Getränkedosen sind laut Anderson hilfreich, da sie Hinweise darauf liefern, welche Höhe das Gelände zur Zeit des Konzerts hatte.
Nach Angaben von Lawrence soll der Bericht der Archäologen auch Museumsvertretern bei Überlegungen helfen, das Gefälle im OriginalBühnenbereich wiederherzustellen. Wegen der großen Bedeutung des Geländes für viele Menschen werden alle möglichen Änderungen gründlich abgewogen.