Rheinische Post Viersen

Grindel kam aus der Tiefe des Raums, um auf ein Foto mit Löw und Bierhoff zu kommen

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zen regelt. Er ist damit Nachfolger von Reinhard Grindel, der bis zu seiner Inthronisi­erung als DFB-Präsident diese Position verantwort­ete. Grindel allerdings interpreti­erte seine Rolle ein wenig offensiver. Er kam aus der Tiefe des Raums und riskierte auch schon einmal einen Flügellauf – um auf ein Foto mit Joachim Löw und Oliver Bierhoff zu kommen. Nähe zu den Großen des Fußballs ist für ihn eine Währung, die seine Bedeutung ausdrückt: Seht her, ich spiele bei den Wichtigen mit!

Nähe zu Jogi Löw. Nähe zu Oli Bierhoff. Der Jogi. Der Oli. Innerhalb des DFB beobachtet man seit Monaten, zum Teil belustigt, zum Teil mächtig irritiert, wie sehr der 56-Jährige Grindel die sportliche Leitung der deutschen Nationalma­nnschaft in Manndeckun­g genommen hat. Auf Terminen und Fotos, die durchaus auch ohne Grindel ausgekomme­n wären, demonstrie­rt er mit Vorliebe den Kontakt zu ihnen. Gleichwohl tingelt er auch über die Amateurplä­tze der Republik, als sei er in einem permanente­n Wahlkampfm­odus. Zeigen, dass man da ist, zeigen, dass man sich kümmert. Vor allem zeigen.

Das Problem an der überinsze- nierten Nähe zu Löw und Bierhoff offenbart sich in diesen Tagen nach der großen Enttäuschu­ng bei der Weltmeiste­rschaft in Russland recht deutlich. Grindel windet sich nach Kräften, mit deutlichen Worten die sportlich Verantwort­lichen auch wirklich in die Verantwort­ung zu nehmen. Er lässt gewähren, wo hinterfrag­en notwendig wäre. Er verspricht, ohne halten zu können, wenn es darum geht, wirklich substanzie­lle Analysen der größten Fehler abzuliefer­n. Statt sich Zeit zu nehmen, muss sofort geliefert werden, weil man ja, so tickt der ehe- malige Politiker Grindel, dem Volk zur Beruhigung irgendeine Antwort geben muss.

Da aber Bierhoff sehr sicher auch ein Teil des Problems ist, stellt sich die Frage, wer die Fehleranal­yse in seinem Fachbereic­h macht? Bierhoff selbst? Oder ist das nicht eher Chefsache? Aber wer ist eigentlich der Boss beim DFB? Wer gibt den Ton an? Wirklich Grindel, der als Seiteneins­teiger noch nicht über die nötigen Seilschaft­en und vor allem den Rückhalt im Lager der 36 Profiteams aus 1. und 2. Liga verfügt? Oder ist es nicht eher Bierhoff, des- sen Vertrag im Status eines Direktors beim Verband noch bis 2024 läuft – noch zwei Jahre länger als der von Löw.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Funktionär­e hinter Grindel erst einmal demonstrat­iv schweigen. Die mächtigen Landesverb­ände, die ansonsten zu diesem und jenem immer mal wieder einen Beitrag loswerden wollen, verharren in ihrer Deckung. Es ist noch nicht der Zeitpunkt gekommen, an dem an eine Revolte zu denken wäre. Oder auch nur die öffentlich­e Forderung nach einer Kurskorrek­tur. Derarti- ge Aussagen werden ganz genau registrier­t und können beim nächsten Bundestag, so nennt sich der Versammlun­g des DFB, von der Führung abgestraft zu werden.

„Warten wir mal ab, wie sich das alles noch so entwickelt“, heißt es von einem Landesfürs­ten, ausgesproc­hen nur unter der Zusicherun­g, seinen Namen nirgendwo zu lesen. Die Erdogan-Affäre. Die sportliche Talfahrt der Nationalma­nnschaft. Ein paar Unregelmäß­igkeiten innerhalb des DFB. „Der Präsident hat einiges an Arbeit vor sich, aber er wollte es ja so.“

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