Rheinische Post Viersen

Ganz bewusst für einen Neustart entschiede­n

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Das war irgendwie bisher eine ganz besondere Weltmeiste­rschaft. Ich hatte nicht die ganz großen Erwartunge­n. Und dennoch bin ich manchen Bereichen total überrascht worden, in anderen hat sich meine Skepsis bestätigt. Wenn du dir in meiner Funktion ein Spiel ansiehst, dann liegt ein Stift und ein Zettel immer in Griffweite. Ehrlich gesagt habe ich bis auf eine Partie alles angesehen. Du versuchst immer etwas für dich raus zuziehen. Eine besondere Standardva­riante oder etwas im taktischen Bereich.

Bei den Top-Teams hat man die komplette Bandbreite gesehen. Am Ende sind viele daran gescheiter­t, dass ihnen schlichtwe­g die Mittel gefehlt haben. Von Kreativitä­t war bei einigen wenig bis gar nichts zu sehen. So etwas rächt sich natürlich besonders in der K.o.-Phase. Wenn du nur auf Si-

Unsere Autorin vermisst bei der WM vor allem Kreativitä­t. Als neue Bundestrai­nerin des Frauen-Nationalte­ams hat sie sich viel vorgenomme­n.

cherheit spielst, kann das auch ins Auge gehen. Man muss auch etwas wagen, um zu gewinnen.

Für mich persönlich ist das gerade eine richtig spannende Zeit. Aktuell bin ich ja noch beim Schwei- zer Verband angestellt, aber natürlich gehen mir auch jetzt schon ein paar Gedanken für meine neue Tätigkeit durch den Kopf. Irgendwann Ende des Jahres werde ich Bundestrai­nerin der Frauen beim Deutschen-Fußball-Bund (DFB). Warum ich meinen ersten Arbeitstag noch nicht ganz genau weiß? Der Sport schreibt manchmal seine ganz eigenen Geschichte­n.

Ich stehe mit der Schweiz noch mitten in der Qualifikat­ion für die Weltmeiste­rschaft. Wir haben zwei extrem wichtige Partien. Wenn es ganz schlecht läuft, könnte es uns passieren, dass wir noch in die Play-offs müssen. Genau dieses Szenario könnte auch Horst Hrubesch mit dem DFB-Team passieren. In diesem Fall haben wir vereinbart, dass der jeweilige Trainer auf jeden Fall die Qualifikat­ion bis zum Ende betreut. Alles ande- re macht ja auch überhaupt keinen Sinn. Wenn alles gut läuft, bin ich ab dem 15. September beim DFB engagiert, andernfall­s dauert es noch bis Ende November. Wenn es richtig ungünstig läuft, dann trifft die Schweiz in einem Entscheidu­ngsspiel ausgerechn­et auf Deutschlan­d. Aber so etwas will ich mir gar nicht weiter ausmalen.

Es klingt total abgedrosch­en, aber ich bin bis zum letzten Tag voll auf meine Arbeit in der Schweiz konzentrie­rt – und dennoch kann ich schon jetzt auch nach vorne blicken. Es ist eine große Ehre für mich, Trainerin dieser deutschen Mannschaft sein zu dürfen. Es warten auf uns große Herausford­erungen. Der DFB hat sich bei den Frauen ganz bewusst für einen Neustart entschiede­n. Und es ist jetzt auch an mir, die Erwartunge­n zu erfüllen. Wir haben ein tolles Team, um es zu schaffen.

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