Rheinische Post Viersen

Schiedsric­hter als Kollateral­schäden

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Vielleicht liegen ja alle Kritiker falsch. Vielleicht hatte der Deutsche Fußball-Bund den Videoschie­dsrichter gar nicht eingeführt, um den Fußball gerechter zu machen. Um klare Fehlentsch­eidungen zu reduzieren. Vielleicht war der Videobewei­s einfach ein geniales Werkzeug der Verbandsob­eren, um Fan-Lager zu verbinden. Und das ist wahrlich gelungen, denn sobald in den Stadien das technische Hilfsmitte­l zum Einsatz kommt, vereinigen sich selbst verhasste Anhängersc­haften zur verbal artikulier­ten Abneigung gegen den DFB.

Das ist natürlich Galgenhumo­r, aber wenn ein Kommentar schon nach dem ersten Spieltag einer Saison Galgenhumo­r bemüht, muss einiges im Argen liegen. Und das ist eben der Videobewei­s, der am Wochenende Spieler, Trainer und Fans so auf die Palme brachte, dass die sportliche Analyse der Spiele mal wieder keine andere Chance hatte, als in den Hintergrun­d zu treten. Die Art und Weise, wie der DFB den Videobewei­s einsetzt, produziert – da können alle anderen Beteiligte­n noch so sehr jammern – unter dem Strich nur einen Verlierer: den Schiedsric­hter im Stadion. Von dessen Autorität ist nicht mehr viel mehr übrig, seitdem der Kollege im Kölner Keller angefangen hat, seine Autorität stärken zu wollen. Der Unparteiis­che auf dem Platz ist für viele inzwischen zur Witzfigur degradiert, der entweder selbst falsch entscheide­t oder falsch beraten wird. Der Bärendiens­t des Ganzen: Die Akzeptanz Tausender Amateursch­iedsrichte­r dürfte so noch einmal sinken.

Eins ist in jedem Fall klar: Die Bundesliga-Schiedsric­hter dürfen sich als Kollateral­schaden der Arroganz fühlen, mit der der DFB in den vergangene­n Wochen sein WM-Debakel erst anrichtete und seitdem aufräumt. Der Grindel-Verband steht in der öffentlich­en Meinung für all das, was diese als Entfremdun­g des Fußballs von der Basis ausmacht. So kann sich jeder Beifalls sicher sein, der den Verband kritisiert – und was wäre da passender als das DFB-Prestigeob­jekt Videobewei­s?

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