Rheinische Post Viersen

Neukölln ist nicht überall in Deutschlan­d

Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey hat ihre Sommertour durch Hessen, Bayern und Sachsen begonnen. Im Fokus steht dabei die Integratio­n.

- VON JAN DREBES

Franziska Giffey steht im Stadion der Frankfurte­r Eintracht, der Moqim (17) neben ihr kann es kaum fassen. Nicht, dass die Familienmi­nisterin da ist, die kannte er vorher nicht. Sondern dass da jetzt die Eintracht-Spieler Danny da Costa und Jan Zimmermann um die Ecke kommen, mit dem im Mai errungenen DFB-Pokal in den Händen. Moqim ist außer sich, den Pokal einmal berühren zu dürfen. Giffey zieht ein Eintracht-Trikot über ihr rotes Kleid, dabei hält sie wenn überhaupt zu Eisern Union. Aber das ist nebensächl­ich.

Sie ist hier, um ihre erste Sommerreis­e als Ministerin zu starten. Und ihr Ressort fördert das Projekt der Eintracht, im Stadion mit Schülern aus der Region über Fragen von Integratio­n, Mobbing und dem Kampf gegen Rassismus zu sprechen. Für Giffey passt das ins Bild, ihr Steckenpfe­rd ist die Integratio­nspolitik. Das war schon so, als sie noch Bürgermeis­terin des Berliner Bezirks Neukölln war. Rund 330.000 Menschen leben dort auf einer Fläche von nur 45 Quadratkil­ometern, sie stammen aus 160 Nationen. Drei Jahre lang war Giffey die Chefin im Rathaus. Die Zeit in Neukölln war ihr eine gute Schule.

Ihre Aufstellun­g fürs Kabinett war ein Coup der SPD-Spitze. Und jetzt ist die Frau mit der markant hellen, weichen Stimme sichtlich bemüht, ihre frühere Funktion hinter sich zu lassen ohne ihr Image, ihren Mar- kenkern zu vergessen. Giffey bleibt nah dran am Thema Integratio­n. Doch ein Satz, den sie immer wieder sagt, geht ungefähr so: Neukölln ist nicht überall in Deutschlan­d.

Das hat sie verstanden, als sie in den vergangene­n fünf Monaten immer wieder durch die Republik reiste. An diesem Freitag, wenn sie nach den Ausschreit­ungen von Rechtsradi­kalen am Sonntag und Montag als erstes Mitglied der Bundesregi­erung Chemnitz besuchen wird, hat sie alle Bundesländ­er mindestens einmal besucht. Als Familienmi­nisterin wird sie noch beweisen müssen, wie viel Biss sie hat. Ob sie auch die Unnachgieb­igkeit einer Manuela Schwesig (SPD) besitzt, die eisern dem damaligen Finanzmini­sterWolfga­ng Schäuble (CDU) auf die Nerven ging, um Geld für ihre Gesetze zu bekommen. Bisher hat Giffey noch nicht viele eigene Projekte umgesetzt, das „Gute-Kita-Gesetz“wird für sie zur ersten Nagelprobe. Nach dem massenweis­en Ausbau von Kita-Plätzen soll jetzt die Qualität verbessert werden.

Giffey hat viel vor. Aber auf die Forderung von Herbert Hunkel, dem Bürgermeis­ter von Neu-Isenburg bei Frankfurt, kann sie wenig sagen. Hunkel freut sich über die Pläne der Bundesregi­erung, 5,5 Milliarden Euro in die Kinderförd­erung zu investiere­n. Das Geld solle aber bitte direkt an die Kommunen gehen. Giffey nickt, zusichern kann sie nichts. Kurz darauf sitzt sie in der Kita des Familienze­ntrums mit Müttern beim Elterncafé zusammen. Die 37-jährige Alleinerzi­ehende Ibtissame Fayda wünscht sich längere Betreuungs­zeiten ohne hohe Gebühren, um besser arbeiten zu können. Da kann Giffey glänzen, genau das fordert sie auch und sagt: „Sonst lohnt sich ja das Arbeiten nicht.“Neukölln ist nicht überall, manche Probleme von dort gibt‘s aber auch im ruhigen Neu-Isenburg.

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FOTO: DPA Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey besuchte das „Netzwerk Elternbegl­eitung“in Neu-Isenburg.

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