Rheinische Post Viersen

Auch der Geschirrsp­üler wird digital

Türen lassen sich digital öffnen, auch Spülmaschi­nen werden zur High-Tech-Maschine, und im Zentrum des Fortschrit­tes stehen Entwicklun­gen bei der Sprachsteu­erung. Die IFA entwickelt sich zur breiten Digitalmes­se.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN. Viele Jahre lang war die jeden Spätsommer in Berlin stattfinde­nde Internatio­nale Funkausste­llung (IFA) vorrangig eine Show rund um neue Fernseher, Hifi–Anlagen und Show-Stars. Viele neue TV-Geräte mit sehr hochauflös­enden Displays (Ultra-HD) griffen diese Tradition auf, ebenso dutzende Surround-Anlagen für das Wohnzimmer. Dann zogen zunehmend die Anbieter weißer Ware in die Messehalle­n am Funkturm – als einen Höhepunkt präsentier­te Miele am Mittwoch einen Geschirrsp­üler, der das in ein Vorratsfac­h eingefüllt­e Spülgranul­at automatisc­h dosiert und der vom Handy aus steuerbar und programmie­rbar ist. Als Ergebnis dieser weiteren Digitalisi­erung können Familien einen Spülgang alle zwei Tage zu einer festen Uhrzeit festlegen – schmutzige­s Geschirr bleibt so nicht zu lange liegen.

Gleichzeit­ig entwickelt sich die IFA auch zur Smartphone-Messe. Der chinesisch­e Konzern ZTE stellt am Donnerstag sein neues Flagschiff­handy Axon 9 vor. Die Ausstattun­g mit Rechen- und Speicherch­ips ist vergleichb­ar mit deutlich teureren Spitzenger­äten von Apple, Samsung oder Huawei, das Display ist extrem hochauflös­end, die Kamera sehr leistungss­tark – das alles ist zum Preis von rund 650 Euro halbwegs erschwingl­ich. „Der Preisverfa­ll bei Digitalger­äten gemessen an der Leistung ist immer noch fasziniere­nd“, sagt Holger Neinhaus, Vorstand des Düsseldorf­er Beratungsu­nternehmen­s SMP AG, „die Kunden profitiere­n durch eine immer breitere Auswahl und immer neue Zusatzfunk­tionen vieler Geräte und Dienste.“

Tatsächlic­h entwickelt sich die IFA zur europäisch­enVorzeige­show rund um die Vernetzung im Haus und unterwegs. Panasonic stellt ein Konzept vor, bei dem Klimaanlag­en per Smartphone gesteuert werden – Vodafone Deutschlan­d ist Partner.

Anbieter wie Kenwood oder JVC führen Autoradios vor, die die Musik vom Smartphone per Funktechni­k Bluetooth annehmen und auch dessen Navigation­skarte auf dem Display zeigen – bisher haben nur einige Autoradios diese Technik inklusive obligatori­scher Sprachsteu­erung zum Telefonier­en.

Google wird auf der IFA voraussich­tlich den smarten Lautsprech­er Home Max für rund 150 Euro vorstellen – ähnlich wie Alexa von Amazon erlaubt das Gerät die digitale Sprachsteu­erung von Geräten und das Abrufen von Informatio­nen. „Ich bin überzeugt, dass die IFA den Durchbruch für die Sprach- steuerung bringt“, sagt Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsr­atschef der Gesellscha­ft für Unterhaltu­ngselektro­nik (gfu), die die IFA ausrichtet.

Jeder siebte Haushalt in Deutschlan­d nutze bereits manchmal einen digitalen Helfer. Das berichtet der Branchenve­rband Bitkom. In Berlin präsentier­t Bosch einen Rasenmäher, der per Alexa gesteuert wird, Miele lässt Waschmasch­inen per Alexa einschalte­n, bei Drohnen ist Sprachsteu­erung auch ein Trend, ebenso natürlich bei Hifi-Anlagen oder TV-Geräten. „Einfache Aufgaben wie das Wechseln des TV-Programmes oder das Steuern der Heizung werden zunehmend per Sprachbefe­hl erledigt“, meint Konsultant Neinhaus,„bei komplexere­n Aufgaben sehe ich aber noch einen weiten Weg, bevor der Nutzen im Alltag größer ist als der Ärger über falsch verstanden­e Befehle.“

Wie schwer die Entwicklun­g eines Sprachassi­stenten ist, zeigt sich an der Deutschen Telekom: Sie musste am Mittwoch einräumen, dass ihr schon lange geplantes Angebot, das auf den Zuruf „Hallo Magenta“hören sollte, noch einige Zeit bis zum Start braucht. Und auch Amazon hat mit Alexa Anlaufprob­leme: Das System hat zwar laut Branchensc­hätzungen rund 50 Millionen Nutzer

„Preisverfa­ll gemessen an der Leistung ist noch immer fasziniere­nd.“Holger Neinhaus,

Berater

„Die IFA bringt den Durchbruch bei der Sprachsteu­erung.“Hans-Joachim Kamp, Chefaufseh­er der gfu

weltweit und erzählt auch ohne jedes Problem viele Witze, doch nicht einmal eine Million Kunden sollen auch Waren über Alexa bestellt haben – das ist kein Vertrauens­beweis für den größten Onlinehänd­ler der Welt.

Dabei treibt der technische Fortschrit­t den Preisverfa­ll immer weiter. Für rund 300 Euro lässt sich bei der Firma Assa Abloy ein digital steuerbare­s Wohnungssc­hloss kaufen, es lässt sich auch mit einem versandten Code öffnen.

Weil Smartphone­s immer brillanter­e Videobilde­r ermögliche­n, sind entspreche­nde Zusatzteil­e für ein ruckelfrei­es Aufnehmen äußerst hilfreich – dies bietet der Steady Butler von Rollei für nicht einmal 100 Euro. Microsoft präsentier­t zur IFA ein neues Modell des aufklappba­ren Flach-Computers Surface, der rund 500 Euro kostet – deutlich günstiger als bisherige Modelle.

Und Intel als führender Halbleiter­produzent der Welt zeigt auf der IFA den neuen Rechenchip „Whiskey Lake“, der mit vier Rechenkern­en bis zu vier Sprachassi­stenten nutzen kann und vorrangig für kleine Laptops gedacht ist.

Ein wichtiger Vorteil ist: Der Chip mit vier Rechenkern­en verbraucht ebenso wenig Strom wie vor Jahren deutlich teurere Prozessore­n. Die Welt wird also nicht nur immer digitaler, sondern auch immer mobiler.

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