Rheinische Post Viersen

Der Krieger der Zukunft ist eine Maschine

Selbsttäti­g handelnde Killerrobo­ter sind auf dem Vormarsch. Doch sie kennen weder Gut noch Böse. Und Gnade schon gar nicht.

- VON JAN DIRK HERBERMANN

GENF Schon bald könnten Tötungsrob­oter die gesamte Kriegsführ­ung in unheimlich­er Weise revolution­ieren. Experten wie die Abrüstungs­chefin der Vereinten Nationen, Izumi Nakamitsu, warnen: „Es besteht die Gefahr, dass die technologi­sche Innovation der zivilen Kontrolle entgleitet.“Mit den Gefahren beschäftig­t sich eine UN-Konferenz in Genf bis Freitag.

Was genau sind Killerrobo­ter?

Die Vereinten Nationen und das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz umschreibe­n die neue Generation der Kriegsgerä­te so: „Tödliche autonome Waffensyst­eme“oder im englischen „lethal autonomous weapon systems“können Ziele ohne menschlich­es Zutun identifizi­eren, angreifen und eliminiere­n. Die immensen Fortschrit­te auf dem Feld der künstliche­n Intelligen­z und der Algorithme­n bilden die Basis für die Killerrobo­ter. Die Tötungsapp­arate sind an bestimmten Stellen fest verankert, zum Beispiel auf Kriegsschi­ffen, entlang von Grenzen, zum Schutz militärisc­her oder ziviler Einrichtun­gen wie Atomanlage­n oder Staudämme.

Was können Killerrobo­ter?

Die Maschinen können auch mobil sein. Nach den Konzepten der Militärs bewegen sie sich auf Rädern, Panzerkett­en, auf künstliche­n Beinen. Mobile Systeme setzen sich selbst in Marsch oder sie werden in Marsch gesetzt. Dieser Marsch-Befehl stammt im Extremfall von ande- ren Robotern. Einen Grenzfall stellen Drohnen da, die zunehmend auf Schlachtfe­ldern und bei der Bekämpfung von Terroriste­n zum Einsatz kommen. Solange Angehörige der Streitkräf­te die Drohnen steuern und einen Beschuss der Ziele auslösen, handelt es sich nicht um Killerrobo­ter. Sobald Drohnen autonom agieren, sind sie Killerrobo­ter – und zwar brandgefäh­rliche.

Wer ist wie weit?

Rüstungsex­perten der Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch gehen davon aus, dass die Vereinigte­n Staaten, Großbritan­nien, China, Israel, Russland und Südkorea Waffensyst­eme entwickeln, die in zunehmende­n Maße autonom sind. Südkorea lässt schon seit Jahren die Grenze zum verfeindet­en Nordkorea von autonomen Waffensyst­emen bewachen. Der Elektrokon­zern Samsung ist bei der Entwicklun­g der Apparate federführe­nd. Ein primitiver Vorläufer der südkoreani­schen Hightech-Produkte sind die Selbstschu­ssanlagen, die an der innerdeuts­chen Grenze Fluchtvers­uche aus der DDR in den Westen unterbinde­n sollten. Fachleute bescheinig­en deutschen Firmen das Können und das Knowhow, um in Zusammenar­beit mit der Bundeswehr Killerrobo­ter zu entwickeln und zu produziere­n.

Welche Staaten wollen ein Verbot?

Die „Campaign to Stop Killer Robots“zählt 26 Staaten, die sich innerhalb der UN für ein Verbot der Killerrobo­ter einsetzen. Darunter Österreich und Belgien. Die Aktivisten bezichtige­n Deutschlan­d, zu den Bremsern zu gehören. „Deutschlan­d will zusammen mit Frankreich durch unverbindl­iche, politische Erklärunge­n autonome Waffen regulieren. Sie haben gleichzeit­ig ein hohes Interesse an künstliche­r Intelligen­z und an Waffen mit autonomen Fähigkeite­n, dafür setzen sie umfassende finanziell­e Ressourcen ein“, kritisiert Thomas Küchenmeis­ter von der „Campaign to Stop Killer Robots“. Die Bundesregi­erung in Berlin widerspric­ht. „Ziel der Bundesregi­erung ist die weltweite Ächtung vollautono­mer Waffensyst­eme“, heißt es aus dem Auswärtige­n Amt. Eine stufenweis­e Initiative solle letztlich zu einem Verbot der Apparate führen. Ganz klar gegen eine Ächtung der Killerrobo­ter positionie­ren sich die Militärmäc­hte USA, Großbritan­nien, Russland und Israel.

Welche politische­n Probleme gibt es?

Ein Bericht des UN-Menschenre­chtsrates warnte schon im Jahr 2013: Killerrobo­ter, diese „nimmermüde­n Kriegsmasc­hinen“, könnten bewaffnete Konflikte zu Endloskrie­gen ausarten lassen. Im Extremfall könnten die Militärs die Kontrolle über die Waffensyst­eme verlieren und eine politisch-diplomatis­che Lösung von bewaffnete­n Ausein- andersetzu­ngen rücke dann immer weiter in die Ferne. Anders ausgedrück­t: Die Politik verliert ihr Primat.

Welche juristisch­en Fragen sind offen?

Roboter scheren sich nicht um das Völkerrech­t und die Menschenre­chte. So dürfte ein Roboter kaum unterschei­den können, ob eine Person verletzt und kampfunfäh­ig ist. Verwundete Soldaten und auch Zivilisten müssen aber lautVölker­recht geschützt werden. Ebenso verschließ­t sich den Maschinen der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit. Konfliktpa­rteien müssen unnötiges Leid vermeiden. Als besonders brisant dürfte sich eine strafrecht­liche Verfolgung von Kriegsverb­rechen erweisen, die autonom von Waffensyst­emen verübt werden. Wer soll zur Rechenscha­ft gezogen werden?

Welche ethischen Probleme gibt es?

Killerrobo­ter stoßen sie die Tür zu einer Kriegsführ­ung auf, die immer inhumaner wird. Ethische Grundsätze, sittliches und moralische­s Handeln, die Unterschei­dung zwischen Gut und Böse, die Abschätzun­g der Folgen, die Übernahme von Verantwort­ung für das eigene Tun, das alles verschwind­et bei den Kriegen der Zukunft. Aktivist Thomas Küchenmeis­ter von der Internatio­nalen Kampagne zum Verbot der Killerrobo­ter betont: „Maschinen dürfen nicht entscheide­n, ob sie Menschen töten.“Und was passiert, so fragt Küchenmeis­ter, wenn autonome Waffen in die Hände von Terroriste­n und Diktatoren fallen?

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FOTO: DPA „Talon Sword“lautet die Bezeichnun­g dieses Killerrobo­ters der US-Armee.

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