Rheinische Post Viersen

Im Dschungel der Stadt

Regisseur Detlev Buck will in „Asphaltgor­illas“eine dunkle Geschichte vom Kiez erzählen. Das wirkt ein bisschen bemüht.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Nach vier Folgen „Bibi & Tina“will Detlev Buck nun in seinem neuen Film „Asphaltgor­illas“mit aller Macht beweisen, dass das Leben für ihn kein Ponyhof mehr ist. Dafür begibt er sich tief in den Kreuzberge­r Kiez, der hier gleich zu Beginn des Filmes unter dem Einsatz von Regenmasch­inen und neonbunten Leuchtmitt­eln als knallige Film-Noir-Kulisse erstrahlt. Melancholi­sch in die Hofeinfahr­t gelehnt raucht hier Adris (Samuel Schneider) seinen Joint. Als zwei Männer

Früher war er Hütchenspi­eler, heute fährt er Lamborghin­i

sich vor dem Regen zu ihm flüchten, bietet er ihnen ganz entspannt einen Zug an. Aber die beiden stellen sich mit Dienstmark­e als polizeilic­he Zivilfahnd­er vor und nehmen den Kiffer in die Mangel. Adris ruft um Hilfe und die schweren Jungs, die eben um die Ecke kommen, verhelfen ihm zur Flucht. Wieder einmal ist er gerade so davon gekommen.

Der Kleindeale­r hat es im Leben nicht weit gebracht. Er arbeitet als Handlanger für den lokalen Unterweltb­oss El Keitar (Kida Khodr Ramadan), lebt noch bei seinen Eltern, die ihn vergeblich mit einer ordentlich­en arabischen Frau zu verkuppeln versuchen, und ist noch nie so recht rausgekomm­en aus seiner Gegend rund um das Kottbusser Tor. Aber dann wird er durch zwei Begegnunge­n aus seiner kleinkrimi­nellen Lethargie gerissen.

Zum einen lädt Adris auf einer Kurierfahr­t spontan eine Ladendiebi­n ins Auto, die gerade von Security-Männern verfolgt wird, den protestier­enden Beifahrer erst einmal mit einem Taser ruhig stellt und sich als „Bettina“vorstellt. Klar ver- knallt sich Adris in die coole Braut, deren entschiede­nes Auftreten seinem zögernden Dasein ein Ende bereitet. Zum anderen läuft Adris seinem Freund aus Kindertage­n Frankie (Jannis Niewöhner), mit dem er schon in jungen Jahren als Hütchenspi­eler das Taschengel­d aufgebesse­rt hat, direkt vor den Lamborghin­i.

Frankie macht auf SelfmadeMa­nn, dabei hängt er am finanziell­en Tropf der russischen Oligarchen- tochter Oxana (Stefanie Giesinger). Von deren Papa will er sich 200.000 Euro leihen, um sie bei der asiatische­n Mafia inWarschau gegen eine große Tasche Falschgeld einzutausc­hen. Er zieht Adris in den Deal hinein und natürlich geht hier alles schief, was nur schief gehen kann.

Als Vorlage für „Asphaltgor­illas“diente Detlev Buck die Kurzgeschi­chte „Der Schlüssel“von Ferdinand von Schirach, dessen Erzählbänd­e „Verbrechen“und „Schuld“ gerade auch fürs Fernsehen verfilmt wurden. Aber Buck nimmt sich im Umgang mit dem Stoff alle künstleris­chen Freiheiten. Der kühle, juristisch­e Erzählton weicht einer knalligen Gangsterfi­lm-Attitüde und die knappe Story wird zu einem ausschweif­enden Genre-Groteske ausgebaut.

Von einem schlüsself­ressenden Dobermann namens Platon über minderbemi­ttelte Kiezrapper mit Reihenhaus und Müslibraut und Pingpong spielende Mafia-Bosse bis zur mongolisch­en Profi-Killerin versammelt Buck ein schrilles, kriminelle­s Völkchen auf der Leinwand, das die Handlung wie eine Flipperkug­el umherschie­ßt. Aber schon bald setzen all die super-schrägen Typen mit ihren super-coolen Sprüchen in dem super-grellen Ambiente erhebliche Ermüdungse­rscheinung­en frei.Während die Handlung stolz von einer desaströse­n Verwicklun­g in die nächste stolpert, Schlä-

ger- und Schießerei­en fein stilisiert in Szene gesetzt werden und Rapper wie SXTN, SSIO oder Capital Bra sich in Cameo-Auftritten die Klinke in die Hand geben, wird einem der Verlauf der Geschichte und das Schicksal der Figuren zunehmend egal.

Samuel Schneider bleicht als anfangs sympathisc­her Antiheld langsam aus. Jannis Niewöhner, der hier unkontroll­iert von der Leine gelassen wird, nervt durch vermeintli­ch ironisches Overacting. Einzig Ella Rumpf („Tiger Girl“) gelingt es als lässig-moderne Femme fatale die Spannung ihrer Figur bis zum Ende zu halten. Für Detlev Buck mag„Asphaltgor­illas“nach vier Jahren Ponyhof ein Befreiungs­schlag sein, aber auf der Leinwand verblasst das grelle Genrespekt­akel zusehends zur leeren Pose.

Asphaltgor­illas, Deutschlan­d 2018 – Regie: Detlev Buck, mit Samuel Schneider, Jannis Niewöhner, Ella Rumpf, 103 Min.

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FOTO: DPA Die Gangster sind ein bisschen müde: Samuel Schneider und Ella Rumpf in „Asphaltgor­illas“.

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