Leserforum: zehn Thesen zur Integration
Wie kann Integration gelingen? Was sind die Chancen von Migration und wo liegen die Grenzen der Belastbarkeit in unserer Gesellschaft? Unsere neue Serie sucht nach Antworten. Hier eine Auswahl der vielen Leserzuschriften zum Thema.
Mulmiges Gefühl
Es ist doch so, dass die Mehrheit der Bürger echten Flüchtlingen helfen will. Ausnahmen gibt es leider immer. Was die Menschen stört und verängstigt, ist Folgendes: Warum werden Gefährder nicht ausgewiesen, sondern bewacht? Die Leute haben das Gefühl, Gefährder werden mehr geschützt als die Bevölkerung, und es muss erst Schlimmes geschehen, ehe die Politik wach wird. Die Stimmung schlägt deshalb um, und die Leidtragenden sind letztlich die „echten“Flüchtlinge. Warum kommt eine Partei wie die AfD denn so hoch? Es sind nicht ausschließlich Nazis darin, sondern viele Menschen, die Angst haben. Unsere Politik ist zur Zeit so, dass der AfD Menschen zugeführt werden. Ist es etwa richtig, dass in Duisburg ganze Banden „ungestraft” Stadtviertel unsicher machen dürfen? Die Polizei muss ihren Kopf hinhalten. Wenn das so weitergeht, kann man demnächst nur mit einem mulmigen Gefühl auf die Straße gehen, teilweise ist es ja heute schon so. Es ist für den Bürger nicht verständlich, was in Deutschland los ist. Hinzu kommt noch, dass derjenige, der den Mund aufmacht und warnt, in die „rechte Ecke“gestellt wird.
Elisabeth Coerschulte per Mail
Auf Augenhöhe
Gratulation zu Ihrem Projekt „Wir brauchen eine neue deutsche Einheit.“Mit Ihren zehn Thesen können wir alle uns diesem Thema unter den verschiedensten Gesichtspunkten nähern. Bei den Punkten zwei und vier sehe ich die Gefahr, dass die Begriffe „christlich“und „Leitkultur“einem konstruktiven Umgang mit dem Thema im Wege stehen können. Was meinen Sie mit „christlich“? Römisch-katholisch, Alt-Katholiken oder Protestanten, Reformiert oder Calvinisten, Freikirchen? Wofür steht „christlich“? Im Zeichen des Kreuzes wurden die brutalsten Verbrechen begangen, über die Kreuzzüge, Inquisition, über den 30-jährigen Krieg bis zur „Christianisierung“von Süd- und Nordamerika als wenige Beispiele. Und heute steht „christlich“immer noch für sexuellen Missbrauch und Schutz der Täter durch die Organisation und Missachtung der Opfer. Ersetzen Sie „christlich“durch den Begriff „ethisch“, und jeder kann sich wiederfinden und seine Werte einbringen. Im Punkt vier reden Sie von Leitkultur. Ich sehe in diesem Lande – das ich liebe und von dem ich überzeugt bin, woanders möchte ich nicht leben – kein Verhaltensmuster, das ich mit dem hochtrabenden Begriff „Leitkultur“versehen möchte. Gleichzeitig suggeriert dieser Begriff eine Vorrangstellung gegenüber anderen Kulturen. Ersetzen Sie „Leitkultur“durch „Regelwerk unseres Zusammenlebens“, und jeder kann mit jedem auf Augenhöhe miteinander reden. Damit haben wir auch automatisch das Grundgesetz als Maß aller Dinge an Bord.
Rüdiger Philipp Düsseldorf
Realistisch bleiben
Ihrer Initiative stimme ich weitgehend zu, möchte nur etwas Wasser in den Wein gießen. Ich sehe die Gefahr, dass wir uns in der Zuwanderungskrise, die weiter anhalten könnte, übernehmen. Wir sind nicht so sehr „ein reiches Land“sondern überaltert, deutliche Einschränkungen oder gar ernsthafte Bedrohungen nicht gewohnt. Außerdem sind wir nicht allein und unsere Nachbarn haben teils weit von uns abweichende Vorstellungen. Vor allem mit Blick auf die islamischen Zuwanderer sollten wir erkennen: Religion ist für sehr viele von uns nur noch Brauchtum, für die Muslime dagegen Gottes Gebot. Sind wir sicher, dass es keine Religionskriege in Europa geben kann? Wir haben dem Nationalismus nach zwei verlorenen Weltkriegen abgeschworen. Seit vielen Jahren nehmen wir nationalistische Volksgruppen auf, über die wir eigentlich fast nichts wissen (Kurden, Kaukasier, Afghanen). Und – vielleicht mittelfristig das größte Problem – zu viele unserer ‚Deutsch-Türken‘ in der dritten Generation unterliegen dem Einfluss der AKP und deren staatlicher Religionsbehörde. Fazit: So lange wir es noch schaffen, sollten wir nach dem Motto ‚Fordern und Fördern‘ die Zuwanderer etwas besser an die Kandare nehmen. Und was die Ergebnisse betrifft: immer realistisch bleiben! Syrische Ärzte und Ingenieure sind bisher nicht viele gekommen.
Hartmut Albrecht Duisburg
Neue Vorschriften
Erstmal Glückwunsch zu ihrem neuen Ansatz in Sachen Integration, jenseits der vorherrschenden Schwarz-Weiß-Diskussion.
Ich bin Anfang der 60er Jahre in eine katholische Volksschule eingeschult worden. Auf unserem Schulhof war eine dicke weiße Linie gezogen, die uns von den „Ungläubigen“der Gemeinschaftsschule trennte. Als Mutprobe in den Pausen wurde regelmäßig diese Grenze verletzt, und es kam zu Rangeleien und Pöbeleien unter den wohlwollenden Augen unserer Lehrer. Noch Anfang der 70er konnte ich ein Schild im Eingang eines Campingplatzes bestaunen, auf dem darauf hingewiesen wurde, dass unverheiratete Paare nicht in einem Zelt schlafen durften. Auf der Arbeit hatte ich viele türkische Kollegen, mit denen ich sehr gut klar kam. Nur über die Themen Frauen und Religion redete man besser nicht, da waren die wie aus dem vorigen Jahrhundert. In den nächsten Jahrzehnten wurde der Einfluss der christlichen Kirchen immer weniger, und viele alte Nazis gingen in Rente. Man konnte sein Leben so gestalten, wie man wollte, unsere Gesellschaft wurde immer freier und offener. Die letzten zehn Jahre habe ich das Gefühl, dass es wieder mehr Leute gibt, die anderen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Auf der einen Seite der Islam mit seiner komischen Moral und den Kopftüchern, auf der anderen Seite Pegida, AfD und Co. Ich denke, wir brauchen dringend ein Einwanderungsgesetz.
Wolfgang Döpper per Mail
Differenzieren
In den letzten Monaten habe ich mich öfters bei dem Gefühl erwischt, ob wir nicht von den Muslimen verdrängt werden hier in Deutschland, da mir viele von ihnen auf der Straße begegneten, viel mehr als früher. Mir wurde klar, dass ich dieses Gefühl nicht habe, wenn ich z.B. Japaner, Engländer, Spanier, Italiener oder Griechen sehe. Ich möchte diesem Empfinden eine gegenteilige Erfahrung aus jüngster Zeit entgegenstellen: Vor wenigen Wochen wurde ich mit meinen Vorurteilen konfrontiert: Ich bin als Ärztin tätig; eine junge Krankenschwester trat in unserer psychiatrischen Abteilung ihren Vertretungsdienst an; sie war Muslimin und trug Kopftuch; sie war sehr zurückhaltend. Ich dachte : Naja, muss das sein? Und spürte unangenehm meine Vorurteile. Heute, nach näherem Kennenlernen im Arbeitskontext sage ich: Ich bin begeistert von ihrer authentischen Art, ihrem feinfühligen Auftreten gegenüber Patienten und Team, von ihrer tollen Ausdrucksweise, sodass ich sie jetzt am liebsten dauerhaft in unserer Abteilung behalten möchte. Mein vorläufiges Fazit: Allen Chancen geben und wissen, dass es unter Deutschen wie auch anderen Nationalitäten wunderbare Menschen gibt, aber eben auch Verbrecher oder schlechte Charaktere. Also differenzieren! Und anstreben, dass wir den zur Intoleranz und Bestimmermentalität neigenden Gestalten egal welcher Nationalität als Gemeinschaft klar kommunizieren, „mit uns nicht, so könnt ihr hier nicht auftreten, das wollen wir so nicht!“Dr.
Margret Klimke per Mail
Verallgemeinerung
Ihren Ausführungen kann ich weitgehend zustimmen. Leider bedienen auch Sie wieder die in den Medien weit verbreitete Verleumdung Andersdenkender, wenn Sie formulieren: „Gewalttaten einiger Neubürger schreckten die Nation auf, befeuerten den unter der Oberfläche lodernden Hass“. Wie kommen Sie dazu, allen Mitbürgern, die bei der Vielzahl kulturfremder Neubürger eine Überfremdung befürchten, als generelles Motiv gleich Hass zu unterstellen? Ich wende mich entschieden gegen diese Verallgemeinerung und erwarte von der Rheinischen Post eine differenziertere Bewertung. Nicht jeder, der diesen Neubürgern kritisch gegenüber steht, hasst diese Menschen. Und dann die Überschrift zum Thema 5: So kann man nur formulieren, wenn die Islamkenntnisse mangelhaft sind, denn es gibt keinen liberalen Islam, bestenfalls als Fata Morgana einiger Gutmenschen. Die Realität in den muslimisch beherrschten Gesellschaften bzw. Staaten sollte eigentlich für sich sprechen. Außerdem können zwar moderate Muslime zu Deutschland gehören, aber nicht der Islam als solcher, da er nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar ist.
Friedrich Albrecht Düsseldorf
Richtschnur
Brauchen wir eine neue deutsche Einheit oder müssen wir einfach umdenken? Müssen lernen zu akzeptieren, dass wir ein Einwanderungsland sind? Eine neue deutsche Einheit bedeutet doch sicherlich nicht, dass auch die Einstellung der Menschen anders wird. Deutlich muss sein, warum der Zuwanderer zu uns möchte. Aus wirtschaftlichen Gründen oder aus politischen Gründen oder weil er verfolgt wird. Wichtig ist auch zu wissen, ob er bereits in seinem Heimatland strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Der Islam ist schon lange in Deutschland integriert. Warum werden erst jetzt Kopftuch und Burka zum Problem? Fest steht, dass die Kleidung nicht wirklich zum Islam gehört, sondern in Ländern vorgeschrieben ist, die das Gleichheitsrecht von Mann und Frau nicht kennen. Unsere Richtschnur für ein Zusammenleben und somit die Einheit ist das Grundgesetz. Es muss für alle gelten. Wenn die Bürger des Landes nicht den Eindruck haben, dass dies auch rechtlich so gesehen wird, ist es schwer mit der Einheit. Wir brauchen aus meiner Sicht keine neue Einheit, sondern nur Menschen, die Integration praktisch leben wollen, das gilt für Zuwanderer genauso wie für einheimische Bürger, die erkennen, dass es um Menschen geht, Menschen mit unterschiedlicher Kultur und gegebenenfalls unterschiedlicher Religion. Aber eins muss sie einen, die freiheitlichen Artikel unserer Verfassung.
Helmut Lücker Per Mail
Multi-kulti
Wieso bin ich rassistisch, wenn ich Zuwanderung und Migration kritisch sehe? Nationalität und Staatsangehörigkeit sind mehr als eine Vereinsmitgliedschaft oder ein Berechtigungsschein für einen Daueraufenthalt. Integration ist Bevormundung der Bürger. Bundesregierung und Länder „verordnen“uns Integration ebenso wie die Medien. Wer Kritik äußert, wird in die rechte Ecke gestellt und ist rassistisch. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, ob er nicht bloß realistisch ist? Es geht nicht um den einzelnen Roma, Afrikaner oder Syrer. Es geht um die Masse! Deutsche Sprache, Kultur, Heimat, christliche Prägung, Geschichte und nationale Verbundenheit, alles das hat keinen Wert und wir haben gefälligst multi-kulti gutzuheißen. Wenn ich durch unsere Stadt gehe, fühle ich mich oft, als wäre ich im Ausland. Es ist ein großer Fehler und wird uns noch zahlreiche Probleme bereiten, wenn die Gesellschaft oder ein Großteil keine Bindung mehr zum Staat hat. Wirtschaftlich motivierte Migration nützt unserem Staat nicht. Doch diese Diskussion wird nicht geführt.
Rolf Corsten per mail
Widersprüche
Mit großem Interesse und Erstaunen habe ich Ihren Artikel gelesen. Meines Erachtens enthält er eine so große Zahl von Widersprüchlichkeiten, dass ich sie mir nur als Ausdruck Ihrer Hilflosigkeit (gilt für Politik und Gesellschaft gleichermaßen) angesichts der Zuwanderungsentwicklung erklären kann. Was meinen Sie eigentlich mit Ihrer Forderung nach einem „nationalen Konsens“… „auf Grundlage eines christlichen Menschenbilds“sowie dem Wunsch im Titel: „Wir brauchen eine neue deutsche Einheit“? Diese nationale Einheit hat es schon nach 1990 nicht gegeben: „Ossis – Wessis“, „Sollen wir die Verlierer der deutschen Einheit werden?“(ein lange in Deutschland lebender Türke da- mals in einer Zeitung). Ich glaube: Deutschland ist – ob es gefällt oder nicht – mittlerweile ein Vielvölkerstaat, mit völlig unterschiedlichen nationalen Eigenheiten, Sprachen, Religionen – so wie z.B. Spanien, Belgien, Russland, das ehemalige Jugoslawien - eine Chimäre eben. Den Wunsch nach einer „neuen nationalen Einheit“halte ich deshalb für völlig abwegig, sondern denke: Deutschland als Nationalstaat mit einer historisch gewachsenen Identität schafft sich ab! Alles andere halte ich für Augenwischerei.
Heinz-Dieter Peters Moers
Einheitliche Regeln
Aus meiner Sicht wird die Integration von Flüchtlingen, Asylwerbern und allen anderen Zuwanderern erst funktionieren, wenn sie bundeseinheitlich geregelt ist und dann auch unter staatlicher Regie verpflichtend abläuft. Ohne entsprechende Kontrolle aller Migranten, aber auch ohne eine echte Bleibeperspektive für sie wird das nichts. Das kann nur bedeuten, dass alle Migranten bei ihrer Ankunft in Deutschland (besser natürlich: in Europa) in zentralen Einrichtungen (z. B. Ankerzentren) untergebracht werden. Für die eigene Motivation, Integrationsund Sprachkurse möglichst erfolgreich zu absolvieren, benötigen die Migranten eine Bleibeperspektive. Das derzeit geltende Asylrecht ist das in nur wenigen Fällen. Helfen kann hier nur ein Einwanderungsgesetz, das nicht ausschließlich für beruflich besonders qualifizierte Migranten eine Chance sein sollte, sondern auch für solche, die sich während der ersten Monate ihres Aufenthalts in Deutschland gute Sprachkenntnisse angeeignet, einen Integrationskurs bestanden und vielleicht sogar eine Ausbildung absolviert haben. Hier muss die Politik für den sogenannten „Spurwechsel“offen bleiben.
Udo Rosenkranz per Mail