Rheinische Post Viersen

Laschet gedenkt der Holocaust-Opfer

Der NRW-Ministerpr­äsident besucht Yad Vashem und wird auf seiner Israel-Reise von ranghohen Politikern empfangen. Im Gespräch mit Regierungs­chef Benjamin Netanjahu geht es vor allem um Sicherheit­s- und Wirtschaft­sfragen.

- VON ANJA CLEMENS-SMICEK UND THOMAS REISENER

JERUSALEM Es gibt Momente, in denen es schwerfäll­t, das Unfassbare mit Worten greifbar zu machen. Wer in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem durch das Mahnmal für die ermordeten Kinder geht, von der Dunkelheit erfasst wird und die Stimme vernimmt, die Namen für Namen jener eineinhalb Millionen Mädchen und Jungen verliest, die von den Nationalso­zialisten ermordet wurden, verfällt unweigerli­ch in Sprachlosi­gkeit. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) findet dennoch die richtigen Worte, die er später in das Gedenkbuch am Ausgang schreibt. „Erinnerung mahnt, Verantwort­ung bleibt, Zukunft schafft Hoffnung“, lautet seine Botschaft. Der Besuch der zentralen Gedenkstät­te an die Opfer des Holocaust in Jerusalem ist wohl der emotionals­te Programmpu­nkt der knapp dreitägige­n Israel-Reise des Ministerpr­äsidenten.

Obwohl das Zeitfenste­r eng ist an diesem hochsommer­lichen Mittwoch und die Termine dicht getaktet sind, lässt sich Laschet nicht drängen. Sichtlich bewegt folgt er den Ausführung­en der Museumsmit­arbeiterin, deren Großeltern im Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt ermordet wurden. Ein ums andere Mal fragt er nach, hält gedankenve­rloren inne. Als der Isrelin, die in der tschechisc­hen Hauptstadt Prag aufwuchs, in Erinnerung an das Leid der eigenen Familie die Stimme versagt und schnell in den nächsten Ausstellun­gsraum weitereilt, fällt es auch dem Politiker schwer, Haltung zu bewahren. In seiner Widmung bemüht Laschet den deutschen Schriftste­ller Heinrich Heine, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen: „Anfangs wollt ich fast verzagen, und ich glaubt’ ich trüg’ es nie, und ich hab’ es doch getragen – aber fragt mich nur nicht, wie?“Gemeinsam mit dem nordhrein-westfälisc­hen Landtagspr­äsidenten Andre Kuper (CDU), der parallel mit einer eigenen Delegation nach Israel gereist ist, legt Laschet in der Halle der Erinnerung einen Kranz nieder und entzündet das ewige Feuer im Gedenken an sechs Millionen ermordeter Juden.

Dennoch ist es der Blick nach vorn, der die deutschen Besucher hoffnungsf­roh stimmt. „Wenn wir es schaffen, dass Eltern ihre Kinder so erziehen, dass sie aufbegehre­n gegen Unrecht, so wie es zahllose Menschen im Kampf gegen die Nazis taten, die Juden versteckte­n, dann sind wir auf dem richtigen Weg“, gibt die Museumsmit­arbeiterin den Gästen aus Deutschlan­d mit auf den Heimweg.

In die Zukunft gerichtet ist bereits am Vormittag ein anderer Programmpu­nkt der Reise. Benjamin Netanjahu empfängt Armin Laschet in seinem Amtssitz in Jerusalem. Der israelisch­e Regierungs­chef würdigt in dem anderthalb­stündigen Gespräch die Entschloss­enheit, mit der die deutsche Politik und der größte Teil der Gesellscha­ft gegen antisemiti­sche und rechtsradi­kale Vorfälle vorgehen. Die Vorfälle in Chemnitz seien aber nicht zur Sprache gekommen, berichtet Laschet im Anschluss.

Stattdesse­n seien unter anderem Möglichkei­ten der wirtschaft­lichen und sicherheit­spolitisch­en Zusammenar­beit ausgelotet worden. So habe Netanjahu erläutert, dass dank israelisch­er Nachrichte­ndienste bereits über 40 Anschläge in Europa verhindert werden konnten. Israel sei nach dem Silicon Valley „der Ort, wo die größte Innovation weltweit entsteht“, sagt Laschet nach dem Treffen. Wirtschaft­liches Kooperatio­nspotenzia­l sehen die beiden Politiker auf den Feldern der künstliche­n Intelligen­z, bei Techniken zur Verarbeitu­ng von Massendate­n und bei der zivilen Anwendung von Militärtec­hnik etwa im Geschäft mit Drohnen. NRW will den wirtschaft­lichen und kulturelle­n Austausch mit Israel durch eine eigene Repräsenta­nz fördern, die in Tel Aviv entstehen soll.

Netanjahu sei äußerst argumentat­iv, was er in dem Gespräch immer wieder mit visualisie­rten Tabellen und anderen Grafiken unterstric­hen habe, berichtet Laschet. „Ein ansteckend­er Politiksti­l“, sagt der NRW-Ministerpr­äsident über Netanjahu. Das Treffen gilt in diplomatis­chen Kreisen als große Auszeichnu­ng für den NRW-Ministerpr­äsidenten, weil offizielle Treffen zwischen ausländisc­hen Staatsund deutschen Länderchef­s selten sind. Zumal Laschet am Nachmittag auch mit dem israelisch­en Präsidente­n Reuven Rivlin zusammentr­af, der wegen einer akuten Erkrankung derzeit kaum Termine wahrnimmt.

„Erinnerung mahnt, Verantwort­ung bleibt, Zukunft schafft Hoffnung“Armin Laschet

Eintrag ins Yad-Vashem-Gedenkbuch

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