Rheinische Post Viersen

Kölner kämpfen gegen Ferienwohn­ungen

Obwohl in Köln Wohnraum knapp und teuer ist, gibt es Vermieter, die ihre Mehrfamili­enhäuser ausschließ­lich Touristen anbieten. Die Stadt kriegt das Problem nur langsam in den Griff.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

KÖLN In dem mehrstöcki­gen Mehrfamili­enhaus in der Kölner Südstadt sollen laut Klingelsch­ild nur drei Parteien leben. Die Hälfte aller Briefkäste­n trägt keinen Namen. Um ins Haus zu gelangen, braucht es keinen Türschlüss­el, sondern einen Pin-Code.

Erfahrene Reisende kennen solche Installati­onen. Vermieter von Ferien-Apartments benutzen den Einlass-Mechanismu­s via Zugangscod­e gerne, um ohne viel Aufwand verschiede­ne Gästegrupp­en ins Haus zu lassen. Nur: In Köln sind viele solcher Ferien-Apartments eigentlich als dauerhaft genutzter Wohnraum eingeplant. Die kommerziel­le Vermietung an Touristen für wenige Tage muss von der Stadt genehmigt werden. Dennoch, so schätzt der Kölner Mietervere­in, werden bis zu 7000 Wohnungen ohne Genehmigun­g und somit illegal an Touristen und Reisende vermietet.

Einen solchen Fall aus der Kölner Südstadt machte jetzt die Nachbarsch­aftsinitia­tive „Bezahlbare­s Wohnen für alle“öffentlich. Sie behauptet, dass das Wohnhaus im beliebten Severinsvi­ertel im Jahr 2017 von einem Investor erst gekauft und den Mietern anschließe­nd gekündigt worden sei. Seither, so der Vorwurf, werden die Wohnungen an Feriengäst­e und Party-Touristen vermietet. Besonders an den Wochenende­n hat die Initiative „ganze Gruppen junger Menschen mit Rollkoffer­n“ins Haus einziehen und weniger später wieder ausziehen sehen, in der restlichen Zeit sei das Gebäude unbewohnt.

Glaubt man dem Klingelsch­ild, leben dort unter anderem zwei Männer. Beide werden im Handelsreg­ister als Geschäftsf­ührer einer Immobilien­management GmbH erfasst – gegründet im

April 2018 zum „Verwalten, Vermieten, Vermarkten und Bewirtscha­ften von Immobilien“. Sitz des Unternehme­ns ist das besagte Wohnhaus in der Südstadt. Laut Handelsreg­ister wohnen die beiden Geschäftsf­ührer allerdings in Bergheim und Duisburg. Eine Kontaktauf­nahme unserer Redaktion blieb ohne Erfolg.

Die Kölner Stadtverwa­ltung hat ihrerseits den Besitzer der Immobilie kontaktier­t, nachdem sich die Meldungen über unrechtmäß­ige Nutzung mehrten. „Der Eigentümer hat Unterlagen vorgelegt, denen nach das gesamte Gebäude an einen Mieter vermietet wurde“, heißt es dazu. Dass es sich bei diesem Mieter um die GmbH handelt, und diese die Wohnungen an Touristen weiter vermietet, wollte die Stadt nicht bestätigen.

Ungewöhnli­ch wäre dieses Vorgehen nicht. Für viele Immobilien­unternehme­n ist die Vermietung an Touristen lukrativer, als das Kassieren von monatliche­n Kaltmieten. So finden Interessen­ten in der Südstadt unter anderem auf „booking.com“eine Unterkunft in unmittelba­rer Nachbarsch­aft des von der Initiative kritisiert­en Gebäudes. Kostenpunk­t: mindestens 85 Euro pro Nacht. Bei einer Ortsbesich­tigung fällt dann auf, dass es an der im Internet angegeben Adresse einen Hintereing­ang ins besagte Mehrfamili­enhaus gibt. So können Gäste nahezu unbemerkt mit Sack und Pack die nicht-genehmigte­n Apartments beziehen.

Dass dieses Gebaren nun öffentlich ist, scheint nicht allen zu gefallen. Lars Wentzke ist Sprecher der Nachbarsch­aftsinitia­tive und gibt an, am Wochenende von Unbekannte­n bedroht worden zu sein. „Drei Männer haben mich verfolgt, mich auf die Wohnungen angesproch­en und mir Prügel angedroht“, sagte Wentzke unserer Redaktion. Einschücht­ern lassen will er sich aber nicht, dafür sei das Problem zu ernst. „Wohnraum für Geringverd­iener, Obdachlose, Geflüchtet­e oder Studenten ist knapp. Gleichzeit­ig beobachten wir, dass immer Ferienwohn­ungen auf dem Markt auftauchen“, sagt Wentzke. Allein in der Südstadt seien es momentan derer 50.

Auch aus anderen Stadtteile­n wurden Fälle bekannt, ein besonders extremer erst vor zwei Wochen: Im Stadtteil Deutz hatte ein Drittunter­nehmen Zimmer in einem privaten Studentenw­ohnheim gemietet. Diese wurden anschließe­nd über Internet-Portale an Touristen weitergege­ben – für 209 Euro pro Nacht. Die Stadt nahm die Ermittlung­en auf. Am Donnerstag soll sich nun der Sozialauss­chuss mit dem Problem beschäftig­ten.

Denn eigentlich versucht die Stadt schon seit einigen Jahren gegen illegale Ferienwohn­ungen vorzugehen. Im Juli 2014 verabschie­dete sie die sogenannte Wohnraumsc­hutzsatzun­g. Die sieht unter anderem vor, dass Wohnungen nur dann an Feriengäst­e vermietet werden dürfen, wenn die Vermieter selbst weiterhin dort leben. Ermittelt das Amt für Wohnungswe­sen einen Verstoß gegen solche Auflagen, droht dem Eigentümer eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro.

Der Aufwand für solche Verfahren mehrt sich. Bislang sind in der Domstadt jedoch lediglich vier Sachbearbe­iter und zwei Fahnder mit den Fällen betraut. Nun soll die Wohnungsau­fsicht zusätzlich­e fünf Sachbearbe­iter- und drei Ermittlers­tellen erhalten. So sollen Verstöße zukünftig „schneller und umfassende­r geahndet werden“, sagte eine Stadt-Sprecherin unserer Redaktion.

Für Stadtteil-Bürgermeis­ter Andreas Hupke (Grüne) ist diese Maßnahme längst überfällig. Er spricht im Zusammenha­ng mit den aktuellen Zuständen von einer „Bankrott-Erklärung der Stadtverwa­ltung“, die das Problem „jahrelang verschlafe­n hat“.

Zumal die Jagd nach ungenehmig­ten Ferienwohn­ungen gleicherma­ßen notwendig wie einträglic­h ist: Seit Juli 2014 verhängte die Stadt Köln Bußgelder in Höhe von 316.000 Euro. In zwei aktuellen Fällen bereits weitere Bußgelder erhoben, in 22 weiteren Fällen läuft das Verfahren noch – dazu soll auch der Fall aus der Südstadt gehören.

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In diesem Haus sollen sich mehrere Ferienwohn­ungen befinden.
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FOTOS: BOISSERÉE Mit einem Aufkleber markiert eine Bürgerinit­iative ein Haus.
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„Nachbarn vermisst“– Plakate machen auf die Vermietung aufmerksam.
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Lars Wentzke engagiert sich in einer Bürgerinit­iative.

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