Rheinische Post Viersen

Scholz sucht nach besserer Digitalste­uer

Der SPD-Vizekanzle­r hält an seinem Ziel fest, US-Internetko­nzerne wie Apple und Google stärker zu besteuern. Einen anderslaut­enden Bericht ließ er dementiere­n. Allerdings sieht Scholz den EU-Vorschlag für eine Digitalste­uer kritisch.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hat einen Bericht der „Bild“-Zeitung dementiere­n lassen, wonach er Pläne zur stärkeren Besteuerun­g von großen Internetfi­rmen wie Google, Apple, Facebook oder Amazon fallengela­ssen habe. „Die Bundesregi­erung ist überzeugt, dass die großen digitalen Unternehme­n einen fairen Beitrag zur Finanzieru­ng öffentlich­er Güter leisten müssen“, heißt es in einer am Mittwochmo­rgen verbreitet­en Erklärung des Finanzmini­steriums. „Insbesonde­re gilt es zu verhindern, dass große Digitalunt­ernehmen sich durch die Verlagerun­g von Gewinnen und durch Steueropti­mierung der Steuerpfli­cht entziehen.“

Zur Einordnung: Die US-Internetko­nzerne machen in Deutschlan­d hohe Gewinne. Da sie jedoch meist keinen Unternehme­nssitz in Deutschlan­d unterhalte­n, können die Gewinne hier nicht besteuert werden. Ähnliche Probleme hat die Mehrheit der übrigen EU-Länder. Um dem Herr zu werden, hatte die EU-Kommission im März vorgeschla­gen, von den Konzernen eine pauschale Digitalste­uer von drei Prozent auf Erträge der Internetri­esen innerhalb der EU zu verlangen.

Wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bewertet jetzt aber auch Finanzmini­ster Scholz diesen Vorschlag kritisch, wie ein internes Papier zeigt: Die Bundesregi­erung sieht die Gefahr, dass das bisherige Prinzip, wonach Steuern am Sitz eines Unternehme­ns anfallen und nicht am Bestimmung­sort seiner Lieferunge­n, durch die EU-Digitalste­uer ausgehöhlt würde.

Käme es zur Aufgabe des Sitzland-Prinzips, müsste die exportstar­ke deutsche Wirtschaft künftig im Ausland hohe Steuern zahlen, die im Inland wegfielen. Das wollen Merkel und Scholz unbedingt verhindern. Zudem digitalisi­eren sich derzeit auch deutsche Unternehme­n. Eine Digitalste­uer würde auch sie wegen des Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatzes betreffen, was Berlin ebenfalls ausschließ­en möchte.

In dem internen Papier, aus dem die „Bild“zitiert, heißt es denn auch, die „Dämonisier­ung der großen Digitalunt­ernehmen“sei „nicht zielführen­d“. Die SPD hatte die stärkere Besteuerun­g von Internetko­nzernen im Bundestags­wahlkampf 2017 aber zu einem zentralen Thema gemacht. Der SPD-Vizekanzle­r kommt daher auch gegenüber Parteifreu­nden in Erklärungs­not.

Das Papier aus dem Leitungsst­ab seines Ministeriu­ms soll Scholz nun Argumentat­ionshilfen dafür liefern, warum die bisherigen Vorschläge für eine Digitalste­uer und insbesonde­re der Kommission­svorschlag nicht unterstütz­t werden sollten. Vom grundsätzl­ichen Ziel der stärkeren Besteuerun­g will Scholz aber nicht abrücken. „Das Papier beschreibt die komplexe Ausgangsla­ge und zeigt die Herausford­erungen auf, die mit den jeweiligen Modellen verbunden sind. Solche Sachstands­berichte sind üblich zur Informatio­n der Ministeriu­msspitze. Nun hat ein Medium sehr selektiv aus diesem Bericht zitiert. Eine Festlegung des Ministers oder des Hauses auf ein oder mehrere Instrument(e) gibt es noch nicht“, erklärte sein Sprecher.

Die Debatte laufe gerade im Kreise der Finanzmini­ster Europas und in der Gruppe der G20-Staaten. „Das Ziel einer fairen Besteuerun­g von Internetko­nzernen verfolgt das Bundesfina­nzminister­ium weiter“, erklärte der Sprecher.

Die Besteuerun­g der Internetko­nzerne soll auch Thema beim informelle­n Treffen der EU-Finanzmini­ster in Wien an diesem Freitag und Samstag sein. Luxemburg, Irland und andere Nord-Länder sind gegen die Digitalste­uer. Die österreich­ische EU-Ratspräsid­entschaft bereitet laut der Nachrichte­nagentur Reuters einen Kompromiss­vorschlag vor: Demnach könnte der Drei-Prozent-Abschlag auf Unternehme­nserträge reduziert werden.

Dies würde allerdings die grundsätzl­iche Kritik unter anderem aus Deutschlan­d an dem Konzept nicht heilen. Berlin bevorzugt statt dessen Pläne zur Mindestbes­teuerung aller Unternehme­n innerhalb der EU, nicht nur der Digital-Konzerne. Niedrigste­uergebiete wie Irland, Luxemburg oder Malta müssten damit ihre „Geschäftsm­odelle“ändern.

Auch die enorme Marktmacht der Internetko­nzerne beschäftig­t die Bundesregi­erung. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) will unabhängig von der Diskussion über eine stärkere Besteuerun­g das deutsche Wettbewerb­srecht überprüfen. Für Unternehme­n, die ihre Geschäfte weitgehend im Internet abwickeln, könnte es bald härtere Regeln gegen den Missbrauch von marktbeher­rschenden Stellungen geben. Dazu hatte Altmaier am Dienstag ein Gutachten entgegenge­nommen.

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FOTO: AFP Die Logos der großen US-Digitalrie­sen Google, Apple, Amazon und Facebook werden mit einem Handy auf einen Bildschirm projiziert.

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