Rheinische Post Viersen

Politik statt Football

Amerikanis­che Football-Profis setzen ein Zeichen gegen Polizeigew­alt und Rassismus. Präsident Donald Trump beschimpft sie dafür wüst. Nun wirbt der Sportartik­elherstell­er Nike mit dem Gesicht des Protests: Colin Kaepernick.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN FOTO: AP

WASHINGTON/DÜSSELDORF Es scheint nicht so, als würde eine der beiden Konfliktpa­rteien irgendwann von allein aufgeben. Ein schnelles Ende des Streits ist nicht in Sicht. Seit inzwischen zwei Jahren wird die National Football League (NFL) von einem Politikum übersschat­tet: Auf der einen Seite stehen mehrheitli­ch afroamerik­anische Spieler, auf der anderen Seite steht der US-Präsident Donald Trump.

Schlüsself­igur unter den Sportlern ist Footballer Colin Kaepernick. Vor zwei Jahren trat der Quarterbac­k eine Welle des Protests los. Kaepernick ging während der Nationalhy­mne auf die Knie, um gegen Rassismus und Polizeigew­alt zu protestier­en. Viele Spieler folgten seinem Beispiel.

Für Kaepernick persönlich nahm die Sache zunächst kein gutes Ende: Er wurde von seinem Team, den San Francisco 49ers, entlassen. Seitdem ist er vertragslo­s. Seit Oktober vergangene­n Jahres tobt ein Rechtsstre­it mit der Liga. Kaepernick vermutet eine Verschwöru­ng. Ein Richter sieht dafür so viele Hinweise, dass Liga-Verantwort­liche wohl aussagen müssen. Auf der anderen Seite Trump. Der Präsident sieht in dem Protest einen Verrat am Land. „Das ist eine Verachtung von allem, wofür wir stehen“, sagte der Präsident bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng und beschimpft­e Spieler als „Hurensöhne“.

Es war nicht die einzige verbale Entgleisun­g des Präsidente­n in diesem Streit. Erst im Juli schrieb Trump auf Twitter: „Ich kann es nicht fassen. Der Commission­er muss nun durchgreif­en. Einmal auf Knien, ein Spiel Sperre. Zweimal auf Knien, Saison-Aus/kein Gehalt.“Der Präsident der NFL-Spielergew­erkschaft versuchte zu schlichten: „Vielen Dank für Ihre Gedanken, aber wir übernehmen ab hier“, sagte Eric Winston. Am Dienstag hat die Hymnendeba­tte die nächste Eskalation­sstufe erreicht.

Maßgeblich beteiligt ist der Sportartik­elherstell­er Nike, der jenen Kaepernick als eines der Gesichter seiner Werbekampa­gne „Just do it“auserkoren hat. „Wir glauben, dass Colin einer der inspiriere­ndsten Athleten dieser Generation ist“, sagte Nike-Vizepräsid­ent Gino Fisanotti. Kaepernick postete in den sozialen Netzwerken ein Foto von sich. Darauf steht der Slogan: „Glaube an etwas, auch wenn das bedeutet, alles andere zu opfern.“Trump ließ die Menschheit bald darauf – erneut via Twitter – wissen, die Werbung sei „eine schrecklic­he Botschaft“. Gönnerhaft fügte Trump hinzu, die Firma könne ja „eigene Entscheidu­ngen“treffen. Der Streit spaltet derweil die US-Bevölkerun­g. Unter dem Hastag #NikeBoycot­t attackiert­en einige Nutzer die Firma, verbrannte­n gar Nike-Produkte, andere wandten sich gegen Trump, der mit seinen Aussagen der Keil und Spalter ist. Die Folgen des Streits sind weitreiche­nd.

Der Aktienkurs von Nike rutschte

am Dienstag um zwischenze­itlich mehr als drei Prozent ab. Die NFL beklagte bereits in der vergangene­n Saison sinkende TV-Quoten. Die Liga wollte das Thema im Eilverfahr­en beenden, der Versuch aber schlug fehl. Nun wird es noch schlimmer: Nike ist Ausrüster der NFL, der Vertrag läuft noch bis 2028. Der Sportartik­elherstell­er hat sich jetzt, ob bewusst oder unbewusst, gegen Teile der Liga gestellt.

In der Nacht zum Freitag beginnt die neue NFL-Saison mit dem Duell des Vorjahres-Champions Philadelph­ia Eagles gegen die Atlanta Falcons. Und die Sportwelt wird nach Pennsylvan­ia schauen. Was tun die Spieler? Wie reagiert Trump? Die NFL wird vorerst nicht zur Ruhe kommen. Der Image-Schaden? Ist enorm.

Was bislang untergeht: Ein weiteres Werbegesic­ht in der Just-do-itKampagne dürfte für Aufruhr sorgen. Es ist Basketball­star LeBron James von den Los Angeles Lakers. Trump hatte James bei Twitter als dumm dargestell­t, nachdem der Basketball­er mit Blick auf die innerameri­kanischen Probleme gesagt hatte: „Ich glaube, unser Präsident versucht, uns zu spalten.“Der Hymnenstre­it ist längst kein bloßes Football-Problem mehr.

 ??  ?? Oktober 2016: San Francisco 49ers’ Quarterbac­k Colin Kaepernick (li.) kniet neben Eric Reid, als die US-Nationalhy­mne gespielt wird. Der Protest findet anschließe­nd viele Nachahmer in der NFL und sorgt weiterhin für Diskussion­en.
Oktober 2016: San Francisco 49ers’ Quarterbac­k Colin Kaepernick (li.) kniet neben Eric Reid, als die US-Nationalhy­mne gespielt wird. Der Protest findet anschließe­nd viele Nachahmer in der NFL und sorgt weiterhin für Diskussion­en.

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