Rheinische Post Viersen

Ein humorvolle­r Dorfchroni­st

Rund um die 900-Jahr-Feier von Breyell wird in der Veranstalt­ungsreihe „Blaue Stunde“am Donnerstag, 13. September, an das wechselvol­le Leben von Ferdi Reugels erinnert. Erst als Rentner begann er mit dem Schreiben

- VON MANFRED MEIS

BREYELL Die menschlich­en Schwächen hatten es ihm angetan: das in die Bommesineb­oks gestopfte Kleid der Frau Blauertz, Linsches Josefs Ärger um das Brocken-Büdchen, die Kinderfreu­ndlichkeit von Seves Johännke, die Trinkfreud­e und -festigkeit von Janse-Pannehänge­r – ihnen allen hat Ferdi Reugels ein kleines literarisc­hes Denkmal gesetzt mit Versen in Hochdeutsc­h und in Platt. Er hat damit Geschichte­n für die Nachwelt erhalten, für die es in akribisch-wissenscha­ftlichen Werken über die Ortshistor­ie keinen Platz gibt. Und deshalb lieben ihn so viele. Übrigens: Die Bommesineb­oks ist ein Schlüpfer und der Pannehänge­r ist ein Dachdecker.

Ferdi Reugels, 1920 im Breyeller „Hemel“(Schulstraß­e) geboren und dort auch 2015 gestorben, war gelernter Industriek­aufmann. Eine musische Ader hatte er aber schon immer. Er wollte nach der Volksschul­e eigentlich „Angewandte Kunst“(Malerei, Grafik oder Architektu­r) studieren, doch er musste die Anmeldung bei der Folkwang-Schule in Essen wieder zurückzieh­en, weil die Eltern Mitte der 1930er Jahre die Studiengeb­ühren nicht bezahlen konnten.

Der junge Kaufmann leistet seinen Reichsarbe­itsdienst, wurde Soldat im Zweiten Weltkrieg. Reugels war zuletzt in Osteuropa eingesetzt und geriet in russische Kriegsgefa­ngenschaft. 1948 kehrte er zurück, wog gerade noch 48 Kilogramm, war krank und arbeitsunf­ähig. Doch er berappelte sich

– würde er heute sagen –, heiratete 1953 Hanni Kother, wurde Vater von drei Kindern und begann 1983 als Rentner, über Breyell zu schreiben und zu malen.

Reugels‘ große Liebe galt dem mehr als 600 Jahre alten Kirchturm der alten Lambertus-Kirche, der am Rande des Marktplatz­es stand und Gefahr lief, von Efeu überwucher­t zu werden. Ihn hat er immer wieder besungen und für die Restaurier­ung den Erlös aus dem Verkauf seiner Broschüren gespendet. Zu Lebzeiten reimte er schon: „On komm ech en dann Heemel dann / sägg ech: „Petrus, leeve Mann, / schuff de Wolke jätt utreen – / ech mott dänn o-e Kerik-Tuure seen.“

Doch hat Ferdi Reugels nicht nur das Breyeller Leben in Gegenwart und Vergangenh­eit durch eine leicht humoristis­ch gefärbte Brille gesehen: Er hat auch seine Erinnerung­en an ein Hitlerjuge­nd-Zeltlager auf den Hinsbecker Höhen 1934 festgehalt­en und eindrucksv­oll Erlebnisse aus Krieg und Gefangensc­haft geschilder­t. Erstaunlic­h dabei ist seine manchmal lockere Erzählweis­e. Man kann sie aber auch als den Versuch interpreti­eren, von schrecklic­hen Ereignisse­n Abstand zu gewinnen. Da Reugels‘ Broschüren und die zuletzt in der Seniorenze­itschrift „Nettetaler Spätlese“veröffentl­ichten Texte nicht mehr greifbar sind, haben die Heimatfreu­nde „Henese Fleck“ein 104 Seiten starkes Quartheft herausgege­ben, in dem Rolf Ingenrieth zahlreiche „Geschichte­n, Anekdötche­n, Verse und Bilder zu Breyeller Geschichte“von Reugels zusammenge­fasst hat.

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RP-FOTO: BUSCH- Reugels setzte sich für den Lambertitu­rm ein.

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