Neuer Ansatz gegen Ärztemangel
Unter Federführung des Brüggener Mediziners Johann Heinrich Arens bauen Hausärzte im Grenzland ein medizinisches Versorgungszentrum auf. Die Praxis von Mechthild Butz und Peter Scharf in Waldniel wird erhalten
GRENZLAND Für ihre Patienten wird dies eine gute Nachricht sein: Die Hausärzte-Praxis an der Dülkener Straße in Waldniel bleibt. Lange Zeit stand die Zukunft der Gemeinschaftspraxis in den Sternen: Peter Scharf, der 1994 in die Praxis seiner Kollegin Mechthild Butz in Waldniel eingestiegen war, suchte einen Nachfolger, kaum dass er das 60. Lebensjahr überschritten hatte. Scharf wurde 61, dann 62. Doch einen Nachfolger fand er nicht.
So wie Scharf geht es vielen Hausärzten: Wollen sie aus Altersgründen ihre Praxis abgeben, finden sie keinen Nachfolger. Unter den Medizinstudenten sind überwiegend Frauen – und viele von ihnen, so die Erfahrung der Hausärzte, möchten nicht 50 Stunden oder mehr pro Woche selbstständig arbeiten, sondern in Teilzeit tätig sein, um Beruf und Familie miteinander verbinden zu können.
Im Grenzland haben Ärzte nun eine Lösung für dieses Problem gefunden. Unter Federführung des Brüggener Mediziners Johann Heinrich Arens haben sie eine GmbH eingerichtet, in der mehrere Hausärzte arbeiten. Im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Schwalm-Nette sind sie nicht mehr selbstständig tätig, sondern angestellt. Drei Mediziner – Johann Heinrich Arens, Christoph Hagedorn und Zakaria Scharaf – tragen das MVZ.
Als Standort des neuen MVZ startet die Praxis in Waldniel zum 1. Oktober – mit Mechthild Butz und Peter Scharf, der noch eine Weile weiter praktizieren will. Ebenfalls zum 1. Oktober wird die Praxis von Leonard Smarczyk in Bracht zum MVZ-Standort. Im Frühjahr sollen auch das Hausarztzentrum Brüggen und die Zweigstelle des Hausarztzentrums in Boisheim Teil des MVZ werden.
Zum Aufbau des MVZ gehört auch der technische Bereich: Derzeit wird an einer gemeinsamen Software gearbeitet. Medizinische Geräte, die künftig den Versand von Proben zum Labor überflüssig machen, sind schon bestellt. Gleichzeitig müssen die Mitarbeiter weiterqualifiziert werden.
Dabei soll das MVZ mehr sein als ein Zusammenschluss von Ärzten. Das MVZ soll sich zum Gesundheitszentrum entwickeln, das „eine umfassende Grundversorgung der Bevölkerung in der Region gewährleistet und eine bessere Versorgung chronisch kranker Menschen aus einer Hand ermöglicht“. Das sind die Anforderungen, die die Robert-Bosch-Stiftung an Initiativen stellt, die „patientenorientiertes Zentrum zur Primär- und Langzeitversorgung“(PORT) werden wollen.
Den Weg dorthin unterstützt die Stiftung mit ihrem Förderprogramm „supPort“. Bundesweit wurden dafür acht Initiativen ausgewählt. Eine davon ist das MVZ Schwalm-Nette, das damit zwei Stellen – die einer Krankenschwester und die einer Sozialarbeiterin
– bezahlen kann. Sie sollen Hochbetagte besuchen und mit ihnen überlegen, wie viel ärztliche, nicht-ärztliche und soziale Versorgung der Einzelne braucht.
Im MVZ sollen medizinische und nicht-medizinische Kräfte sowie Mitarbeiter sozialer Dienste künftig gemeinschaftlich die Bedürfnisse der Patienten in den Blick nehmen – über die Krankheit hinaus. Da kann es sein, dass der eine ein Rollator-Training benötigt, der nächste einen Schwerbehindertenausweis braucht, der dritte Wege aus der Alterseinsamkeit sucht. Arens sieht auch die Kommunen in der Pflicht, jetzt die Weichen für die künftige gesundheitliche Versorgung auf dem Land zu stellen: „Unabhängig von unserer Einrichtung wird sich die hausärztliche Versorgung ändern müssen. Die Zahl der zu Versorgenden steigt, und die Versorgenden haben weniger Zeit.“